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Collon-Orgel besticht
bei den Solo-Stimmen

Jörg-Neithardt Keller scheut herbe Kontraste nicht

Von Gerd Büntzly
Herford (HK). »Die Orgel muss den Raum zum Jubeln bringen!« So umschrieb Patrick Collon, der Baumeister der neuen Orgel an St. Marien, seine Aufgabe. Nun hatte er ja sicherlich Recht mit seiner Aussage, dass die Herforder Marienkirche eine besonders schöne Kirche ist, die jetzt, nach der Renovierung, in besonderem Glanz erstrahlt.

Jedoch dürfte ihm die schwierige Akustik dieses Raumes einiges zu schaffen gemacht haben; eigentlich schreit diese nach Wandteppichen oder ähnlichen Maßnahmen zur Dämpfung des Halls.
Immerhin war auf der Nordseite, also der neuen Orgel gerade gegenüber, ihr Klang in ausreichender Reinheit zu hören. Zwei Organisten hatten es unternommen, den Worten des Orgelbaumeisters die künstlerische Durchführung folgen zu lassen: Jörg- Neithardt Keller, der Organist der Marienkirche, natürlich an der neuen Orgel, und als Kontrast Professor Burghard Schloemann von der Empore aus an der Steinmann-Orgel. Auf dieser intonierte er mit geheimnisvollen Stimmen drei weihnachtliche Stücke von Max Reger, von denen das mittlere, »Weihnachten«, den Choral »Vom Himmel hoch« mit Motiven aus »Stille Nacht« zu kontrapunktieren wusste.
Die Orgel von Patrick Collon mit ihren zwei Manualen und 1919 Pfeifen ließ ihre ganze Schönheit bei den französischen und spanischen Stücken des zweiten Teils hören. Hier hatte Keller Stücke gewählt, die speziell für Solostimmen geschrieben waren. Es kamen vor allem auch die »Spanischen Trompeten«, die waagerecht aus dem Gehäuse herausragen, gut zur Geltung. Keller scheute auch vor herben Kontrasten nicht zurück: kräftiger Trompetenbass gegen zarte Flötenstimmen.
Wunderschön waren auch die Variationen über ein volkstümliches französisches Weihnachtslied, die in ihrem frischen Ton manches Grüblerische und Unklare der deutschen Musik des ersten Teils vergessen machten. Sehr interessant war auch gelegentlich die synkopische Rhythmik, die vom Organisten keck herausgehoben wurde. Insgesamt kann man zum Schluss kommen, dass die Collon-Orgel im vollen Werk weniger überzeugt als in ihren Solostimmen; also bleibt für die Steinmann-Orgel ein solider Platz übrig. Was die Länge des Abends angeht, so wäre etwas weniger wohl mehr gewesen: Manche Besucher gingen frühzeitig und verpassten leider so das Beste.

Artikel vom 13.12.2004