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Leiendecker leistet Hilfe für die Helfer

Evangelischer Pfarrer ist seit drei Jahren als Seelsorger der Versmolder Feuerwehr im Einsatz

Von Oliver Horst (Text und Fotos)
Versmold (WB). »Es gibt Einsätze, die einen noch tagelang beschäftigen. Die schrecklichen Bilder hat man immer wieder vor Augen«, sagt Dietrich Pleitner. Der Stadtbrandmeister spricht von einer Aufgabe, bei der die Feuerwehr-Kameraden immer wieder auch mit dem Tod konfrontiert werden. Vor allem Verkehrsunfälle wirken belastend. Die Erlebnisse zu verarbeiten helfen und psychologische Aufbauhilfe für die Helfer zu leisten, das ist seit drei Jahren Aufgabe von Dirk Leiendecker. Der Pfarrer ist für die Versmolder Feuerwehr als »Fachberater Seelsorge« im Einsatz.

Es waren Dietrich Pleitner und der damalige Löschzugführer Jürgen Kleine, die in 2001 den Kontakt zu Dirk Leiendecker suchten. »Wären sie nicht auf mich zugekommen, wäre ich nie zur Feuerwehr gegangen«, sagt Dirk Leiendecker heute. Er schnupperte hinein in die Welt der Blauröcke - und der Funke sprang über. »Es war zwar nie ein Jugendtraum von mir, zur Feuerwehr zu gehen. Aber ich habe mich dort sofort wohl gefühlt und freue mich heute, ein Teil der Gruppe zu sein.«
Eine Truppmann-Ausbildung für Feuerwehrleute hat Leiendecker zwar bislang nicht absolviert. Gleichwohl packt er bei Einsätzen tatkräftig mit an. »Einen Besen kann auch ich in die Hand nehmen, um Scherben zusammenzufegen«, sagt er. Sich nicht nur ein oder zwei Mal im Jahr bei Besprechungen sehen zu lassen, sondern möglichst viele Einsätze als aktiver Teil des Löschzuges mitzumachen, sei ihm wichtig. »Das ist auch für meine Aufgabe als Seelsorger die beste Möglichkeit, die Kameraden kennen und einschätzen zu lernen.« Zuweit will der 46-Jährige aber nicht gehen. »Es muss immer noch eine klare Trennung vorhanden sein. Es gibt andere, die viel besser einen Brand löschen können. Mein Schwerpunkt liegt in der Seelsorge.«
Die psychische Belastung der Einsatzkräfte sei enorm, weiß Leiendecker aus seiner Tätigkeit zu berichten. »Die Bilder von Unfallorten vergisst man nie, die brennen sich fest. Auch Gerüche tauchen in den ersten Tagen nach einem Einsatz oftmals noch auf.« Dies sei nach einem belastenden Erlebnis normal, ein Prozess der Verarbeitung. Doch wenn es zu Alpträumen komme oder zu Einschränkungen im Alltag, werde die Lage kritisch. Das Rezept des Seelsorgers zu unterstützen, ist so einfach wie wirksam: »Über die Erlebnisse zu sprechen hilft.« Gezielt gesucht werde die Hilfe des Fachberaters weniger. »Das ergibt sich meist aus den normalen Gesprächen«, sagt Dirk Leiendecker.
Auf dem Weg zu Einsätzen fahre immer auch eine große Befürchtung bei den Kameraden mit, sagt der Seelsorger: »Es ist die Angst, dass jemand, den man selbst kennt, betroffen ist. Wenn es diese persönliche Betroffenheit gibt, ÝfunktioniertÜ der sonst so sicher sitzende Automatismus der Rettungsabläufe meist nicht mehr.« Eine Erfahrung, die Leiendecker selbst bei einem seiner ersten Einsätze machen musste. Und wie geht der Seelsorger selbst mit der Belastung um? »Für mich gilt es genauso: Mit Menschen darüber sprechen, mit denen ich reden kann.« Im Familien- und Kollegenkreis rede er sich dann die Last von der Seele. »Das muss dann einfach 'raus.« Zudem habe er auch andere Möglichkeiten, mit Erlebnissen umzugehen, teils mit Besuchen von Verunglückten im Krankenhaus. Mit etwas Erlebtem abzuschließen, sei ein wichtiger Schritt. So gelte es besonders auch in Todesfällen, bewusst Abschied zu nehmen.
»Das Gefühl, geholfen zu haben, ist aber glücklicherweise bei mir und den Feuerwehr-Kollegen viel häufiger vorhanden als die schwierigen Situationen«, sagt Dirk Leiendecker. Eine Tatsache, die die manchmal so belastende Arbeit letztlich viele Freiwillige mit so viel Herz und Engagement ausüben lasse.

Artikel vom 10.12.2004