09.12.2004 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Watschen« für die Wallbauer

Stadt verliert Rechtsstreit um Erdungetüm an den Trebnitzer Straße

Von Hubertus Hartmann (Text) und Wolfram Brucks (Foto)
Paderborn (WV). Er soll Krach abhalten und sorgt gerade deshalb für Unruhe. Ein Lärmschutzwall, den die Stadt Paderborn an der Trebnitzer Straße aufgeschüttet hat, bringt die Anwohner des Neubaugebietes buchstäblich auf die Barrikaden. Obwohl sie den Erdhügel überhaupt nicht wollten, sollen sie für das ungeliebte Ungetüm auch noch zahlen.

Zehn Betroffene schlossen sich zusammen und erhoben Klage beim Verwaltungsgericht Minden. Dort erzielten sie jetzt einen ersten Erfolg. Die Stadt kündigte gestern allerdings Berufung beim Oberverwaltungsgericht Münster an.
Ende der 90er Jahre entstand auf dem ehemals städtischen Gelände in der Nähe des Frankfurter Weges das neue Baugebiet. 2001 ließ die Stadt zum Schutz vor Lärmbelästigungen aus dem benachbarten Gewerbegebiet den etwa fünf Meter hohen Damm aufschichten. Die Hälfte der Wall-Grundfläche mussten die direkten Anrainer gleich mit kaufen.
»Das Ding ist völlig überflüssig«, meint Thomas Wölfer (33), einer der Kläger. »Dort sind kleine und mittelständische Betriebe angesiedelt, von denen überhaupt kein Lärm ausgeht.« Die Stadt stütze sich auf ein Gutachten, dem lediglich fiktive Lärmemissionen zugrunde lägen.
Rund 100 000 Euro hat die begrünte Naturwand gekostet. Zwei Drittel davon sollen die scheinbar begünstigten Bürger zahlen. Nach Ansicht des Ersten Beigeordneten Dieter Bartha ein großzügiges Angebot. Bei strenger Auslegung des Bundesbaugesetzes müsse die Kommune eigentlich nur zehn und nicht 25 Prozent der Kosten tragen, während 90 Prozent von den Anliegern aufzubringen seien.
Trotzdem verpassten die Mindener Richter der Paderborner Verwaltung eine »Watschen«. Die städtische Sondersatzung für Lärmschutzwälle sei ungültig, weil in ihr eine »rechtswirksame Verteilungsregelung« fehle, heißt es in dem Urteil. »Damit hat sich Minden gegen die Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts gestellt«, glaubt Stadtsprecher Jens Reinhard. In ihrer Berufungsklage will die Stadt auch klären lassen, ob sie überhaupt einen derart hohen Kostenanteil zur Entlastung der Bürger übernehmen darf.
Die eigentliche Frage, ob der Wall wirklich erforderlich ist oder nicht, ließ die Kammer unbeantwortet. Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens ist und bleibt der Lärmschutzdamm vor ihren Wohnzimmerfenstern für Thomas Wölfer und seine Nachbarn ein Schildbürgerstreich. »Wenn man wirklich ruhig wohnen will, muss man in ein Gewerbegebiet ziehen«, bemerkt Wölfer ganz ohne Ironie.

Artikel vom 09.12.2004