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Kölsche Kracher
im Todesstreifen

»Frühstückspause« gut verdaut

Rheda-Wiedenbrück (dibo). Das war klar: Rheda-Wiedenbrück mit seiner »Wiedervereinigung« vor fast 35 Jahren bescherte dem Satire-Duo Jürgen Becker und Didi Jünemann eine kabarettistische Steilvorlage.

Immer wieder blitzte die »Erbfeindschaft« der beiden Stadtteile während ihrer umjubelten Vorstellung im Reethus auf. Das Publikum nahm's mit Freude. Und geografische Fragen waren schnell geklärt: Die Toiletten der Stadthalle stehen auf Wiedenbrücker Gebiet, die Bühne gehört zu Rheda. Und dazwischen - also ungefähr im Bereich der Sitzreihen - der »ehemalige Todesstreifen«...
Mampfend, Wasser und Tee trinkend, ätzten sich die Beiden mehr als zwei Stunden lang durch ihre auf den Abend verlegte »Frühstückspause«, die viele hunderttausend WDR II-Hörer freitagmorgens gegen elf Uhr (die schon legendären Sätze »Herr Jünemann, Frühstückspause! - Ja, Herr Becker, ich komme!« kennt fast jeder) amüsiert verfolgen.
Ein kleiner Tisch, zwei Stühle, lecker Frühstückshäppchen, eine Garderobe, an der allerlei Tageszeitungen hingen - fertig war die Bühnendeko. Reichte auch vollkommen, denn auf den Inhalt kam's schließlich an. Und der war gespickt mit »Kommentaren« zu allem, was das tägliche (Welt-)Geschehen hergibt - von der NPD im Osten (»Wenn die Rechten keine Ausländer mehr haben, verbrennen sie Bücher und zünden eben eine Bibliothek in Weimar an«) über die immer währende Frage nach den Schuldigen in einer Gesellschaft (»Der Briefträger ist von Natur aus anders. Das sieht man schon an der Reaktion der Hunde«) bis zum Lkw-Maut-Desaster (»Das hätten Frauen machen sollen, die können einkaufen und Preise vergleichen«). Immerhin war die missglückte Einführung des Datenerfassungs-Systems für Verkehrsminister Manfred Stolpe auch eine Form der Rehabilitation, »denn wäre er wirklich bei der Stasi gewesen, hätte es funktioniert«. Noch zwei Themen: Opel (»Was verdienen GM-Manager eigentlich? 20 Jahre Gefängnis«) und Wirtschaftswachstum (»Die einzigen, die Wachstum brauchen, sind Ihre Kinder. Der Rest ist eine Verteilungsfrage«). George Bush? Klar, der »hat im Suff zum christlichen Fundamentalismus gefunden« und »wollte diesmal nicht nur Präsident werden, sondern auch die Wahl gewinnen«. Klima? »Braucht der Ami nicht, der hat ja in jedem Auto eine Klimaanlage«. Und wir wissen jetzt, dass Jürgen Becker ein Freund des rheinischen Sauerbratens (nur echt aus Pferdefleisch) ist. Daher sei ihm auch immer das Wasser im Mund zusammengelaufen, wenn Addi Furler in der Sportschau Trabrennen moderiert habe. »Sie sind Pferdefreund? Kein Problem. Eins nach dem anderen.« Munter ging's so weiter, und man könnte noch tausend Zeilen über ihre »Frühstückspause« schreiben.
Die 500 Zuschauer forderten nach zwei Stunden mit Nachdruck Zugaben - und bekamen sich auch. Die große Überraschung folgte aber nach dem letzten Vorhang. Da wurde eine mobile Zapfanlage vor die Bühne gerollt und das Publikum zum kühlen Kölsch eingeladen. Das machen die Herren Becker und Jünemann nach jeder Bühnen-»Frühstückspause«. Nicht nur vor Weihnachten.

Artikel vom 07.12.2004