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Diagnose:
häusliche
Gewalt

Neuer Leitfaden für die Ärzte

Kreis Gütersloh (WB). Ausreden finden die betroffenen Frauen zur Genüge, wenn im Krankenwagen nach den Ursachen der Verletzungen gefragt wird: vom Stuhl gefallen, eine Treppenstufe übersehen. Der wirkliche Grund bleibt unausgesprochen, auch wenn der Arzt ahnt, was sich hinter dem Schweigen verbirgt.
Wie jedoch kann man diesen Frauen helfen, ohne sie erneut in Schwierigkeiten zu bringen? Auf einer Fachtagung für Ärzte im Kreishaus Gütersloh wurde jetzt ein neuer Leitfaden zur Aufdeckung häuslicher Gewalt sowie eine mehrsprachige Visitenkarte mit Notfallnummern vorgestellt. »Die Karten finden bereits reißenden Absatz«, zeigt sich Ellen Wendt, Gleichstellungsbeauftragte der Kreisverwaltung, erstaunt.
Häusliche Gewalt gilt weltweit als eine der größten Gesundheitsrisiken für Frauen und Kinder. Niedergelassene Ärzte oder Notfallambulanzen sind oft noch vor der Polizei oder einer Beratungsstelle erste Anlaufstelle bei Verletzungen oder Beschwerden, die auf häusliche Gewalt zurückgehen. Ärzte und weitere Berufsgruppen im Gesundheitswesen sind deshalb wichtige Kooperationspartner, wenn es darum geht, erste Hilfestellung zu geben und häusliche Gewalt aufzudecken.
Gemeinsam mit der Akademie für ärztliche Fortbildung der Ärztekammer Westfalen-Lippe, der Abteilung Gesundheit des Kreises Gütersloh und der Initiative »GewaltHalt - Stoppt Gewalt gegen Frauen« fand deshalb eine Fachtagung zum Thema »Diagnose: häusliche Gewalt« im Kreishaus Wiedenbrück statt. Die gut besuchte Veranstaltung richtete sich an Ärzte im ambulanten und stationären Bereich, insbesondere aber auch an Mitarbeiter in Arztpraxen und Krankenhäusern.
Ziel der Tagung war, den Zusammenhang zwischen Frauengesundheit und Gewalt gegen Frauen aufzuzeigen. Bei der Aufdeckung von häuslicher Gewalt, so betonte Landrat Sven-Georg Adenauer in seinem Grußwort, spiele die Kompetenz und Sensibilität der unterschiedlichen Berufsgruppen im Gesundheitswesen eine entscheidende Rolle. Die Verletzungen werden von den Opfern häufig als Unfallfolgen kaschiert. Angst, Scham und Schuldgefühle sind häufig Gründe, die es Frauen erschweren, von sich aus ein Gespräch über häusliche Gewalt zu beginnen. Wie Claire Hemmert-Seegers vom Interventionsprojekt S.I.G.N.A.L am Universitätsklinikum B. Franklin in Berlin jedoch berichtete, »reagieren die meisten Frauen erleichtert, wenn sie von ihrem Arzt auf mögliche Gewalthintergründe angesprochen werden«. Dies sei für die Frauen eine wichtige Chance zum Ausstieg aus dem Gewaltkreislauf. Der Beweiswert ärztlicher Diagnostik kann zudem in späteren Strafverfahren eine wichtige Rolle spielen.
Als konkrete Arbeitshilfe für Ärzte wurde anlässlich der Fachtagung ein Leitfaden zum Thema »Diagnose: häusliche Gewalt« vorgestellt, der neben Informationen zum Umgang mit gewaltbetroffenen Patientinnen ein Formblatt zur rechtssicheren Dokumentation sowie Adressen mit den im Kreis Gütersloh vorhandenen Hilfsangeboten enthält. Die Initiative »GewaltHalt - Stoppt Gewalt gegen Frauen« stellt Betroffenen und Interessierten gleichzeitig mehrsprachige Hilfekarten in Visitenkartenformat zur Verfügung, auf denen Hilfewege im Kreis benannt sind. Leitfaden und Hilfekarten werden in den nächsten Tagen an die Ärzte im Kreis verschickt. Außerdem sind diese Materialien bei den kommunalen Gleichstellungsbeauftragten im Kreis erhältlich.

Artikel vom 07.12.2004