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Das erste Schiff fuhr im Jahr 1914

Serie: Der Bau des Mittellandkanals in Lübbecke vor 90 Jahren - Folge 1

Von Stadtarchivar Helmut Hüffmann
Alswede (WB). Die Ausstellung »Kostbarkeiten aus dem Stadtarchiv - Die Lübbecker Ortsteile stellen sich vor« zog während des Weihnachtsmarktes erneut zahlreiche Interessenten in ihren Bann. Dabei erinnerte das Stadtarchiv unter anderem zum Ortsteil Alswede an Bau, Nutzung und einen Dammbruch des Mittellandkanals. Dieses Thema war gewählt worden, um an die Inbetriebnahme der Wasserstraße im Dezember 1914 zu erinnern. In einer kleinen Serie lässt die LÜBBECKER KREISZEITUNG die Geschichte noch einmal Revue passieren.

Der Mittellandkanal, der bei Bergeshövede aus dem Dortmund-Ems-Kanal abzweigt und nach etwa 320 km bei Magdeburg endet, wurde zu einem Zeitpunkt in Betrieb genommen, als die Welt den Atem anhielt. Am 28. Juni 1914 wurden in Sarajewo der österreichische Erzherzog Franz Ferdinand und seine Frau von einem serbischen Nationalisten erschossen. Aufgrund der damaligen Bündnispolitik, einer ausgesprochen nationalistischen Einstellung auf allen Seiten, wirtschaftlichem Konkurrenzdenken, das vor Waffengewalt nicht zurückschreckte, und eines zuvor noch nicht gekannten Wettrüstens kam es bald zu den kriegerischen Auseinandersetzungen des Ersten Weltkrieges, der mit der militärischen und wirtschaftlichen Niederlage Deutschlands endete.
Mit dem Bau der ursprünglich als »Ems-Weser-Kanal« bezeichneten Wasserstraße war bereits lange Zeit vorher, im Jahre 1906, begonnen worden. Der Abschnitt von Nettelstedt bis Alswede und in benachbarte Gebiete entstand jedoch erst in den Jahren 1910 bis 1914. Die Bauzeit dieser bis heute bedeutenden Wasserstraße nahm in der Presse nur geringen Raum ein. Dies dürfte unter anderem darauf zurückzuführen sein, dass die Königliche Kanalbaudirektion Hannover mangels einheimischer Kräfte auch Italiener, Polen und Österreicher beschäftigte. Diese hatten ihre Bleibe häufig nicht in den Dörfern selbst, sondern in Unterkünften an der Kanalbaustelle.
Mit den in der Planungsvorgabe liegenden Moor- und Feuchtgebieten gab es zusätzliche Probleme. So musste auf der Strecke von Getmold über Alswede nach Lübbecke ein Deichsystem entwickelt und umgesetzt werden. Die erforderliche Umleitung zahlreicher Wege und die Neuanlage von Brücken nach Rücksprache mit den überwiegend bäuerlichen Eigentümern hatten umfangreiche Erdarbeiten zur Folge. Da eine vertragstreue pünktliche Fertigstellung der Bauarbeiten erforderlich war, wurde seit dem 1. Mai 1912 auch nachts gearbeitet. Einen Teil der zum Kanalbau benötigten Steine gewann man im Nettelstedter Steinbruch und transportierte sie mit Pferdefuhrwerken die Hänge des Wiehengebirges hinab zum Arbeitsplatz am Kanal. Unfälle zeigten immer wieder, wie gefährlich solche Unternehmen waren.
Im Dezember 1914 war es soweit. Das Kanalbett war eingewässert. Am 9. Dezember passierte nach Auskunft der Lübbecker Stadtchronik das erste Schiff den Kanal - ein mit Steinen beladenes Schiff im Auftrage der Kanalbaudirektion.

Artikel vom 07.12.2004