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»Frauenfeindlich
und beleidigend«

Abmahnung für Gymnasiallehrer

Von Manfred Schraven
Paderborn (WV). Seit 37 Jahren ist er als Gymnasiallehrer tätig, davon 30 am Paderborner Mädchengymnasium St. Michael. Und hier bekam er vor Monaten eine Abmahnung: Schülerinnen der heutigen Klasse 10 d hatten sich über ihn wegen angeblicher sexistischer Beleidigungen und frauenfeindlicher Bemerkungen beschwert.

Die Abmahnung besteht in den Augen von Richter Holger Kuhlmey zurecht. Er wies gestern die Klage am Amtsgericht Paderborn gegen diese Personalakteneintrag zurück. Das Urteil will der heute 63-jährige Oberstudiendirektor allerdings nicht hinnehmen. Sein Anwalt Heinz-Siegfried Gosmann (Soest) kündigte »für den Fall, dass . .. « schon Berufung an. Für beide ist die Abmahnung nur ein Schritt der Schulleitung, »den in Ungnade gefallenen Pädagogen abzuschießen«. Und das alles »im Namen der Kirche«. Die Ehefrau des »ungeliebten Englischlehrers« focht mit noch härteren Bandagen. Zu Beginn des Prozesses nutzte sie eine Verhandlungsunterbrechung und ging die Oberin der Augustiner-Chorfrauen Sr. Ancilla (Träger der St. Michaelsschulen) an: »Geben Sie meinem Mann doch einfach den Gnadenschuss. Seit mehr als drei Jahren jagen Sie ihn jetzt doch schon.« - Betretendes Schweigen im Sitzungssaal, in dem gestern Morgen fast alle Schülerinnen der Klasse 10 d mit Klassenlehrerin als Zuhörer saßen.
Nun mag der Aufwand für so eine »kleine Abmahnung« schon eher übertrieben empfunden werden. In diesem Falle ging und geht es aber nicht nur um die beruflich letzten Jahre des Pädagogen und dessen finanzielle Zukunft, sondern möglicherweise auch um den Leumund in der Öffentlichkeit. Entsprechend engagiert auch focht der Abgemahnte um seine »weiße Weste« - obwohl: Für eine fristlose Kündigung müsste erst einmal eine zweite Abmahnung wegen gleicher Verstöße vorliegen.
Für den 63-Jährigen sind die in seinen Augen völlig haltlosen Vorwürfe ohnehin nur Vorwand, ihn loszuwerden. Er schildert die Geschichte, die damit angefangen habe, als er 1997 wieder heiraten wollte, nachdem seine damalige Frau ihn und die drei Kinder verlassen hatte, aus seiner Sicht: Als erstes habe er die »Nonnen« gefragt, ob einer solchen neuen Ehe etwas entgegen stehe. Die damalige Oberin habe ihm schriftlich zugesichert, ihn auch bei Wiederheirat weiter zu beschäftigen. Der Ärger war vorprogrammiert, als sich die Absicht des Generalvikariat verdichtete, das St. Michaels-Gymnasium zu übernehmen. Der betroffene Pädagoge: ». . . aber, möglichst ohne mich.«
Ein Hinundher sei die Folge gewesen. Kündigungen seien ausgesprochen worden, im Gegenzug aber nicht anerkannt und so weiter. Es ging damals um eine neue Anstellung in Marsberg, deren Besetzung durch den Oberstudiendirektor vom Michaels-Gymnasium vom Regierungspräsidenten in Arnsberg aber abgelehnt wurde. Der Englischlehrer wollte wieder zur alten Wirkungsstätte - nur: die Augustiner-Chorfrauen wollten ihn nicht mehr. Eine Klage auf Wiedereinstellung wurde vom Paderborner Arbeitsgericht abgewiesen. Die Berufung in Hamm hatte aber Erfolg. Und so unterrichtet der 63-Jährige wieder am Ikenberg: Nun aber mit dem Makel der Abmahnung aufgrund der Beschwerden von Schülerinnen wegen angeblicher anzüglicher Bemerkungen und Beleidigungen.
Wiedersehen werden sich die Parteien nach der Berufung durch Anwalt Gosmann in Hamm - und sicherlich so unversöhnlich wie gestern in Paderborn. Da hielt Rechtsanwalt Wilhelm Vockel als Rechtsbeistand der Schulleitung dem Abgemahnten üble Machenschaften vor. Der konterte mit: Spinner und Lügner!

Artikel vom 03.12.2004