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Bedrohte Temperamentsbündel

Schäfer wollen Altdeutsche Hütehunde erhalten - Landesgruppe gegründet

Von Hanne Reimer (Text und Foto)
Ringelstein / Steinhausen (WV). Ben und Bia, Lord, Jessi und Biene sind wahre Kraftpakete. Ihnen beim Rennen, Balgen und Springen zuzusehen, ist eine Freude für jeden Hundeliebhaber. Doch die fünf Temperamentsbündel gehören einer bedrohten Art an: Sie sind Altdeutsche Hütehunde und gehören damit zu einer Haustierrasse, die es vielleicht schon bald nicht mehr geben wird.

Doch genau das möchten Uwe Lorenz und seine Lebensgefährtin Susanne Senkel aus Ringelstein verhindern. Die Beiden sind Herrchen und Frauchen der fünf Hunde und gehören dem Vorstand der nordrhein-westfälischen Landesgruppe der Arbeitsgemeinschaft zur Zucht Altdeutscher Hütehunde (AAH) an, die sich vor einigen Tagen in Steinhausen gegründet hat.
»Die Tiere dieser Rasse sind robust, arbeitswillig, lauffreudig und wetterfest«, so charakterisiert Susanne Senkel, die ebenso wie ihr Lebensgefährte den Beruf des Schäfers erlernt hat, die Altdeutschen Hütehunde. Und die sind erst dann so richtig in ihrem Element, wenn sie eine Aufgabe haben, die sie fordert - möglichst das ganze Leben lang. Schon seit dem frühen Mittelalter werden sie zum Hüten von Schaf-, Schweine-, Ziegen- und sogar Kuhherden eingesetzt, sind aber beispielsweise auch geeignet als Begleithunde für Behinderte.
Ben, Bia, Lord, Jessi und Biene sind täglich im Einsatz und helfen Uwe Lorenz und Susanne Senkel dabei, ihre Herde im Griff zu halten. Die beiden Wahl-Bürener, die ihren Beruf in der ehemaligen DDR erlernt haben, betreiben die Schäferei heute mit 120 Mutterschafen im Nebenerwerb.
Noch etwa 900 Altdeutsche Hütehunde verschiedener Schläge, die sich äußerlich sehr unterscheiden können, leben in Deutschland. Doch nicht einmal die Hälfte davon, so schätzt Susanne Senkel, kann zur Zucht verwendet werden. Denn anders als bei vielen anderen Hunde- oder auch Katzenrassen kommt es bei der Auswahl nicht vor allem auf das schöne Aussehen und die Einhaltung bestimmter Rasse-Standards an, sondern einzig und allein auf die Leistung.
Kein Kuscheltier
für Stubenhocker
In einer so genannten Zuchttauglichkeitsprüfung müssen die Hunde unter anderem beste Gesundheit und einen ausgeprägten Hütetrieb beweisen. »Außerdem müssen sie in der Lage sein, Schafe sauber zu greifen«, erklärt Uwe Lorenz. Damit ist gemeint, dass die Hunde die Schafe zwar nötigenfalls leicht beißen und sich so Respekt verschaffen, sie aber nicht ernstlich verletzten.
Mehrere Jahre und viel Ausbildung erfordert es, bis aus einem Hund auch bei besten Anlagen ein echter Partner für den Schäfer geworden ist. Durch die Gründung der AAH-Landesgruppe soll es nun gelingen, Schäfer zur Zucht zu motivieren und passende Hunde in Verbindung zu bringen.
Gehalten werden können die »Altdeutschen« nicht nur von Schäfern, sondern auch von Privatleuten und sogar Familien mit Kindern. »Allerdings brauchen sie eine Aufgabe und viel Bewegung«, betont Susanne Senkel. Und wer Ben, Biene und ihre »Kollegen« einmal im Umgang mit der Schafherde, beim begeisterten Laufen und mühelosen Überspringen von Zäunen beobachtet hat, weiß: Gemütlich-träge Kuscheltiere, die sich ohnehin in der warmen Stube auf dem Sofa am wohlsten fühlen, sind sie ganz bestimmt nicht.

Artikel vom 07.12.2004