04.12.2004 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Kurz vor der Explosion aus
brennendem Auto gerettet

Mutige Lebensretter aus Paderborn erhalten Auszeichnungen

Von Karl Pickhardt
Paderborn (WV). Sie waren zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle, hatten Mut, packten zu: Zwei junge Männer aus Paderborn haben unter Einsatz ihres eigenen Lebens einen Menschen vor dem sicheren Tod durch Verbrennen bewahrt. Heute werden Guido Boxberger (28) und Sebastian Schoppmeier (24) von Innenminister Dr. Fritz Behrens in der Landeshauptstadt Düsseldorf mit der NRW-Rettungsmedaille ausgezeichnet.

Das Drama auf der Autobahn 44 zwischen Büren und Erwitte beginnt am 4. August 2003 für die beiden damaligen Bundeswehrsoldaten, die zusammen mit ihrem Kameraden Tobias Stohlmann (28) aus Detmold auf dem Weg zum Einkaufszentrum »Centro« nach Oberhausen sind, im Rückspiegel: Guido Boxberger aus Paderborn sieht, dass hinter ihm die Hölle ausbricht. Im zähflüssigen Morgenverkehr fährt ein holländischer Sattelzug etwa 100 Meter hinter ihnen auf, mehrere Fahrzeuge brennen.
Die drei Soldaten lassen ihr Fahrzeug stehen und rennen, was die Lunge hergibt, zurück. Ein Lastwagen brennt lichterloh, neben ihm hat auch ein Suzuki Feuer gefangen. Am Steuer des Kleinwagens sitzt ein Mann, der sich unter Schock ans Lenkrad klammert.
Guido Boxberger und Sebastian Schoppmeier (Wewer) zögern nur einen Bruchteil, weil eine Flüssigkeitslache am Boden zunächst abschreckt. Es könnte Benzin sein, das jeden Moment Feuer fängt. »Los« schreit Guido: Seine Freunde folgen ihm, springen durch die Pfütze und reißen an der Fahrertür des brennenden Pkw. Vergebens: eingeklemmt. Aber das Seitenfenster ist zertrümmert. Apathisch streckt das Unfallopfer den Helfern seinen Aktenkoffer entgegen. Guido Boxberger greift sich den polnischen Fahrer, zieht ihn zum Beifahrersitz herüber und aus dem zertrümmerten Fenster ins Freie. Zusammen mit Sebastian Schoppmeier schleppt er den Mann vom brennenden Fahrzeug weg. Sekunden später erschüttert eine Explosion die Unfallstelle und reißt Guido mit seinem geretteten Verletzten zu Boden: Wie ein Feuerball steht jetzt der Kleinwagen in Flammen. In diesem Moment hätte Niemand mehr helfen können. Das ist gerade nochmals gut gegangen.
Ein Polizist zum geretteten Mann: »Sie können heute Geburtstag feiern«. Er überlebt dank des Mutes der Männer aus Paderborn. Sie sehen ihn aber nie wieder.
Die drei Bundeswehrsoldaten waren übrigens die einzigen Autofahrer, die nach dem Crash zum Unfallort zurückgelaufen sind. »Alle anderen sind weitergefahren und haben sogar noch geschimpft, weil wir unser Fahrzeug stehen ließen«, schüttelt Guido Boxberger, der heute bei der Commerzbank arbeitet, den Kopf.
Was die drei Lebensretter nicht ahnen: Hinter der Unfallstelle sind ebenfalls per Zufall vier Bundeswehrsoldaten. Auch diese Vier ziehen Menschen aus brennenden Wagen und retten Leben. Andere schauen zu. So treffen sich an diesem Samstag sieben Lebensretter von der A 44 in Düsseldorf, um die Medaillen zu empfangen.
Bei dem Massenunfall kommt ein Lkw-Fahrer ums Leben, zehn Menschen werden schwer verletzt. Ohne die beherzte Tat der Lebensretter wäre die Bilanz noch grausiger.
Nur 24 Stunden nach dem Unfall hat ein Polizeikommissar der Autobahnwachstation Soest alle sieben Lebensretter zur Verleihung der Rettungsmedaille vorgeschlagen.

Artikel vom 04.12.2004