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Politik ist zerknirscht:
»Wir sind Dilettanten«

MARTa-Baukostenexplosion: »Archimedes« in der Kritik

Von Gerold Brinkmann
Herford (HK). Den Spitzenpolitikern im Stadtrat dämmert, dass die Kostenexplosion bei MARTa ihnen ein blamables Zeugnis ausstellt. »Wir sind alle Dilettanten«, fasste Heinz-Günther Scheffer gestern im Hauptausschuss zusammen.

Nachdem die Verwaltung Montag die jüngsten Zahlen veröffentlicht hatte, wonach der Möbel- und Museumskomplex nicht 25 sondern 28,8 Millionen Euro kostet, gaben sich die Politiker drei Tage vor der Aussprache im Rat über die »Katastrophe« (Kurt Huber, CDU) zerknirscht.
Es wurde nach Schuldigen gesucht. In den Blick gerieten der vor Ort verantwortliche Architekt Hartwig Rullkötter vom Büro »Archimedes« und der frühere Baucontroller Peter Koch. Laut Scheffer (Liste 2004) soll Rullkötter schon früh erklärt haben, wer mit dem amerikanischen Star-Architekten Frank Gehry baue, müsse mit einem Zuschlag von 15 Prozent auf die Baukosten rechnen. Dagegen habe Koch in einem Gespräch am 9. Juli gesagt, die Baukosten seien fixiert, das Haus könne am 7. November 2004 öffnen. Und Rullkötter soll laut Scheffer im Juli bekräftigt haben, dass »24,9 Millionen Euro den Festpreis« darstellten.
Doch es kam bekanntlich anders. Der Bauteil D, schon lange als Veranstaltungstrakt geplant, braucht eine ordentliche Toilettenanlage, die bisher nicht geplant war; die Dachlandschaft wird auf Wunsch von Gehry von innen komplett ausgekleidet, die teuren Gemälde an den Wänden sollen vielleicht von 35 Überwachungskameras aus kontrolliert werden und in der Außenanlage werden die Lochsteine wieder rausgerissen, weil Fußgänger leicht umknicken können. Dabei hatte Gehry diese Rasensteine gewünscht.
»Wir haben noch nicht darüber gesprochen, wer für diesen Baufehler bezahlt, das wird zum Schluss geklärt«, sagte der neue kaufmännische Geschäftsführer Berndt Kriete den Politikern. Kriete ermahnte sie zu einer »fairen Zusammenarbeit«, er lasse sich nicht schon jetzt »negativ anfahren.«
Aus Sicht der CDU ist Hartwig Rullkötter für den Schlamassel verantwortlich, er habe »Planung und Ausführung übernommen«, sagte Ute Blanke. Vor dem Beschluss am Freitag im Rat über die zusätzliche Ausgabe von 3,8 Millionen Euro verlangte sie Einsicht in den Abschlussbericht des ehemaligen Baucontrollers Koch.
Noch mehr Einsicht forderte Heinz-Günther Scheffer. »Ich will die Auflistung der Gewerke, die Leistungsnachweise der Firmen, die Ausschreibungsergebnisse und die abgeschlossenen Verträge sehen.« Er wolle sich in der Öffentlichkeit nicht länger blamieren und sich jeden Tag rechtfertigen müssen.
Bürgermeister Bruno Wollbrink regte darauf eine interne Runde an, in der alle Unterlagen offen gelegt und Rullkötter Rede und Antwort stehen soll. Aus Sicht von Kurt Huber hat Archimedes »total versagt. Ich kann nicht begreifen , wie man eine Veranstaltungshalle ohne Toiletten planen kann.«
Angesichts der Baukostenexplosion soll auch bei Ausstellungen gespart werden, wie Kriete sagte. Doch die Kunsthalle braucht hochwertige Ausstellungen, wenn sie überregionale Bedeutung erlangen will.

Artikel vom 01.12.2004