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Croissants hier besser als zu Hause

Frederic Tatard aus Nantes nutzt Austausch - Ausbildung in Frankreich kürzer

Von Matthias Kleemann
(Text und Foto)
Schloß Holte-Stukenbrock (WB). In der Backstube der Bäckerei Wölke an der Schloßstraße fühlt Frederic Tatard (20) sich fast wie in seinem Ausbildungsbetrieb im heimatlichen Nantes. Ein wenig enger sei es hier schon, sagt der junge Mann im Gespräch mit dem WESTFALEN-BLATT.

Denn auch das ist »typisch französisch«: In dem Land, wo es noch an jeder Straßenecke eine Mini-Bäckerei gibt, arbeitet Frederic gemeinsam mit zehn Kollegen in der Bäckerei eines großen Einkaufsmarktes auf der grünen Wiese, gleich neben der einstmals mittelständischen Keksfabrik »LU« (die heute zum Danone-Konzern gehört): Baguette, Croissant, Brioche & Co werden hier im Schichtbetrieb hergestellt, bei einer gut geregelten Arbeitszeit von 35 Wochenstunden. Nach Schloß Holte-Stukenbrock hat es Frederic über einen Lehrlingsaustausch der Handwerkskammern Loire-Atlantique und Vendee mit der Handwerkskammer Ostwestfalen zu Bielefeld verschlagen.







Mit dem frühen Aufstehen hat Frederic keine Probleme. Um 5 Uhr morgens lässt Backstubenleiter Peter Radke ihn zurzeit antreten, das entspricht der Frühschicht in Frederics Betrieb. Freilich geht es bei Wölke viel eher los: Zwischen 1 und 2 Uhr werden die Öfen angeworfen, um die verschiedenen Sorten von Graubrot zu backen. Weil der junge Mann das noch nicht miterlebt hat, war er zunächst dem falschen Eindruck erlegen, in Deutschland würden überwiegend Brötchen und Weißbrot verzehrt, also jene Produkte, die zu späterer Stunde den Ofen verlassen.
Radke ist mit dem jungen Mann zufrieden: »Er ist sehr interessiert und hat eine schnelle Auffassungsgabe.« Frederic soll den ganzen Betrieb durchlaufen. Am ersten Tag hat er bei der Herstellung von Brötchen und Spritzgebäck helfen können. Dienstag hat er das Nikolaus-Traditionsgebäck »Stutenkerl« kennen gelernt. Kaum fällt es dabei auf, dass er kein Wort Deutsch kann. Die Verständigung in der Backstube erfolgt deswegen weitgehend auf Englisch, denn von den Mitarbeitern bei Wölke kann wiederum niemand Französisch.
Und was ist sein Eindruck von den Backwaren, die die Deutschen sich im Nachbarland abgeguckt haben? Man sei hier mit den Zutaten großzügiger, stellt Frederic fest. Beispiel Croissant: In Frankreich kommt in ein einfaches Croissant schlichte Margarine, in Deutschland nimmt man Butter. Ein solcherart hergestelltes Croissant geht in Frankreich wiederum als »Croissant beurre« für einen höheren Preis über die Ladentheke.
Wie in Deutschland gibt es auch in Frankreich eine Ausbildung zum Bäcker (Boulanger) oder Konditor (Pâtissier), berichtet Frederic. Auch lassen sich die Ausbildungen hüben wie drüben kombinieren, dafür muss man in Deutschland aber eine insgesamt fünfjährige Lehre absolvieren, in Frankreich nur vier Jahre. Nach bereits zwei Jahren ist man in Frankreich einfacher Bäckergeselle. Nach weiteren zwei Jahren erwirbt man das CAP (Certificat dÕaptitudes professionnelle, Nachweis der beruflichen Befähigung), daran arbeitet Frederic derzeit. Wenn er damit fertig ist, darf er sogar schon Lehrlinge ausbilden. Er kann aber noch weitere zwei Jahre der Ausbildung anhängen, um das »Brevet professionnel«, ein Diplom, zu erwerben. Den Blick über den Tellerrand, in eine deutsche Backstube, wird er dabei sicher als eine wertvolle Erfahrung verbuchen.
Leider ist die Zeit viel zu kurz: Bereits am Freitag tritt Frederic die Heimreise an.

Artikel vom 02.12.2004