01.12.2004 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Kenne kein Leben ohne Waldheim«

»Hausvater« und »CVJM-Urgestein« Wilfried Sahrhage feiert heute seinen 75. Geburtstag

Werther-Häger (dh). Fast jedes Kind aus Werther hat ihn wohl schon einmal im Waldheim Häger besucht. Seine »Expeditionen« in den Hägeraner Wald sind legendär. Wann können junge Menschen schon noch einen Blick in einen Dachsbau werfen oder echte Eulen streicheln? Heute feiert Wilfried Sahrhage - die Kinder nennen ihn nur liebevoll den »Hausvater« - seinen 75. Geburtstag.

Der Jahrestag des »CVJM-Urgesteins« ist auch immer der Geburtstag des Waldheims. 1929 war es Sahrhages Vater Gustav, der den ersten Treffpunkt für junge Männer am heutigen Standort errichtete. Keine Frage, dass auch Wilfried Sahrhage nach dem Zweiten Weltkrieg 1945 prompt in den CVJM eintrat. Das Waldheim - ein kleines Blockhäuschen ohne Toilette - war die Heimat des Vereins.
Nur wenige Jahre später sollte Wilfried Sahrhage ein großes Erbe antreten: »Mein Vater wurde älter, also fragte er mich vor 53 Jahren, ob ich sein Werk fortsetzen will.« Keine leichte Aufgabe für den damals 22-Jährigen. »Doch für mich war klar: Ich lasse das Waldheim nicht untergehen«, erzählt Sahrhage heute.
1963 wurde der Trägerverein CVJM Waldheimat-Häger e.V. gegründet, das marode Holzhäuschen wurde abgerissen und das heutige massive Waldheim gebaut. Seitdem gibt es kaum eine Sommernacht, in der auch nur eins der 56 Betten leer bleibt. 4 000 Gäste (140 Gruppen) kommen pro Jahr hierher.
Viele Aufgaben hat Wilfried Sahrhage in seinem Leben gehabt: »Eigentlich wollte ich Bürokaufmann werden«, erzählt er. Doch nach dem Krieg absolvierte er bei Heidemann in Werther eine Schneiderlehre, arbeitete später in der Weberei Gehring, machte sogar seine Meisterprüfung. Nachdem er vier Jahre hauptamtlicher Jugendwart beim CVJM Versmold gewesen war, drückte er noch einmal die Schulbank, um Lehrer zu werden. Bis 1989 unterrichtete Sahrhage an der Hauptschule Halle die Fächer Religion, Sport, Deutsch und Biologie.
»Doch es verging kein Tag, an dem ich nicht im Waldheim war«, erzählt der 75-Jährige, der in seiner Arbeit viele Jahre von seiner Ehefrau Anni unterstützt wurde. Seit ihrem Tod vor zwölf Jahren schwingt Hannelore Speckmann ehrenamtlich den Kochlöffel, vor wenigen Monaten wurde Sabine Runde als »Hausmutter« in Teilzeit eingestellt.
Eigentlich ideale Voraussetzungen, um sich zurückzulehnen, etwas kürzer zu treten und den Ruhestand zu genießen. Doch Wilfried Sahrhage reichen die Kaninchen- und die Eulenzucht nicht aus. »Ich kenne gar kein Leben ohne Waldheim. Ich weiß gar nicht, wie das ist«, sagt er und freut sich schon, seinen Geburtstag mit Familie, Freunden und dem Bläserquintett Staatsorchester Riga, dem er seit vielen Jahren in Deutschland Auftritte verschafft, in »seinem Haus« zu feiern.
Übermorgen geht es für den »Hausvater« weiter nach Brandis bei Leipzig. Dort wird er gemeinsam mit 160 Gästen im neu gebauten CVJM-Zentrum feiern. Denn ganz nebenbei hat Sahrhage in den vergangenen Jahrzehnten intensive Kontakte in die DDR gepflegt, bis 1989 unzählige Pakete nach »drüben« geschickt und dafür 1990 das Bundesverdienstkreuz am Bande erhalten. »Ich kann gar nicht anders«, sagt Sahrhage. »Ich freue mich, wenn sich die anderen freuen.«

Artikel vom 01.12.2004