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Schmidt: »Musikschulen
sind kein Luxus-Angebot«

Warnung vor einseitig rationaler Ausrichtung

Von Wolfgang Braun
Kreis Höxter (WB). »Wer Musikschulen schließt, gefährdert die innere Sicherheit«. Mit diesen provozierenden Worten des Bundesinnenministers Schily warnt der Bad Driburger Altbürgermeister Norbert Schmidt eindringlich davor, in Zeiten knapper Kassen, Hand an Musikschulen zu legen.

»Musikschulen sind kein Luxus«, tritt er in einem Gespräch mit dem WESTFALEN-BLATT einer weit verbreiteten Einstellung entgegen. Mehr denn je sei das Erlernen eines Musikinstruments unabdingbar, damit sozialen Fehlentwicklungen vorgebeugt wird.
Studiendirektor i. R. Norbert Schmidt (79), der Mathematik, Physik und Philosophie studiert und am Clemens-Hofbauer-Kolleg bis 1987 unterrichtet hatte, hatte sich vor dreißig Jahren als CDU-Ratsherr in Bad Driburg für die Gründung einer Musikschule stark gemacht, damit Kinder ein möglichst vielseitiges Angebot sinnvoller Freizeitgestaltung hätten. 15 Jahre, bis 1995, war er Bürgermeister der Badestadt. Jetzt alarmieren ihn Diskussionen in Bad Driburg und anderen Städten, auch an den Musikschulen zu sparen.
Mit dem 1991 erschienenen, viel beachteten Buch »Die Evolution von Geist und Gesellschaft - Hoffnung, Chancen und Aufgabe«, zu dem sein Freund Eugen Drewermann das Vorwort geschrieben hatte, hatte hat sich Schmidt als philosophischer Autor profiliert. Auch in seinem aktuellen Plädoyer für den Erhalt von Musikschulen nimmt der Altbürgermeister auf die Evolution, auf die Entwicklung des Menschen, Bezug.
Seine Grundthese: Die ausschließliche Konzentration auf die analytisch-logischen-mathematischen Fähigkeiten der linken Gehirnhälfte ist nicht aureichend. »Verzichtet man leichtfertig auf die Funktionen der rechten Gehirnhälfte, so fehlt der rationalen, linken Seiten und damit unserem planenden Handeln die Instanz, durch deren emotionale Tönung die äußeren Fakten erst Sinn und Verbindlichkeit erhalten«, warnt Schmidt. Musik aber ist eine Fähigkeit, die wie nur wenige andere die Fähigkeiten beider Gehirnhälften koordiniert, die der rechten Hälfte aktiviert.
Die ausschließlich rationale, linkshirnige Sichtweise korrespondiere mit einer vergangenen statischen Welt, die sich nur langsam veränderte. »Mit dem, was man als Lehrling gelernt hatte, konnte man früher seinen Beruf auch noch im Alter mit gutem Erfolg ausüben«, machte Schmidt diesen Gedanken anschaulich.
Das habe sich jedoch entscheidend geändert, die Veränderung erfolgten immer schneller, und angesichts des Veränderungstempos der menschlichen Evolution sei eine »Orientierung für die Zukunft nur mit der ganzheitlichen Form des Erkennens, das linke und rechte Gehirnhälfte einschließt«, möglich. Auch die Ergebnisse der PISA-Studie müssten eigentlich dazu führen, dass nicht weniger, sondern mehr Musikunterricht angeboten würde. Langzeitstudien hätten nämlich gezeigt, dass musizierende Schüler einen höheren Intelligenzquotienten entwickelten. Gleichzeitig seien Aggressionen und Zerstörungswut im Beobachtungszeitraum zurückgegangen.

Artikel vom 01.12.2004