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»Gegen Fanal
der Unvernunft«

Zuckerbauern entzünden Mahnfeuer

Von Stefan Küppers (Text und Foto)
Altkreis Halle (WB). Unter dem Motto »Unser Rübenland brennt« haben heimische Landwirte gestern Abend auch in Halle gegen die von der EU geplante Neuordnung des Zuckermarktes protestiert.

In vielen Städten Wesfalen-Lippes, wo mehr als 2000 Rübenanbauer die Senkung der Mindestpreise für Zuckerrüben insgesamt um 37 Prozent fürchten, wurden die Signalfeuer entzündet. In Halle trafen sich auf einer Wiese an der Kreuzung B 68/Westumgehung rund ein Dutzend Bauern und Vertreter des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes, auch um in Sichtweite des Süßwarenriesen Storck ein Zeichen zu setzen. Von dort, so machte Kreisverbands-Vorsitzender Arnold Weßling deutlich, hätten sich die Landwirte ein Zeichen der Solidarität gewünscht. Insbesondere der Storck-Betriebsrat hätte sich an die Seite der Bauern stellen können. Schließlich gehe es, so Weßling, um deutsche Arbeitsplätze sowohl in der Landwirtschaft als auch in der Zuckerindustrie, weshalb der Vorsitzende der Gewerkschaft NGG bereits einen »heißen Winter« angekündigt habe.
Der geplante Wegfall der bisherigen Marktordnung - heute berät der Fachausschuss des EU-Parlaments über die Pläne der Kommission - öffnet die Tore für den billigen Weltmarktzucker, beispielsweise aus Brasilien. Dort aber werde der Zucker nur deshalb so billig hergestellt, weil die Zuckerrohrproduktion unter den niedrigsten Sozial- und Umweltstandards vonstatten gehe. Wegen dieser Zusammenhänge appelliert der Wertheraner Rübenbauer Heinrich Dicke-Wentrup an Storck, sich für eine Beibehaltung der Marktordnung stark zu machen, zumal das Unternehmen über seine Storck-Foundation auch ein hohes Umweltbewusstsein vorlebe.
Bei einem drohenden Wegfall der Zuckerfabrik in Lage entstehe in der hiesigen Region ein Kaufkraftverlust von 14 Millionen Euro. Abgesehen von mehreren Millionen Euro jährlich, die nicht mehr investiert würden. Für Weßling geschieht die Aufgabe der Marktordnung ohne einen vernünftigen Grund, denn sie habe den deutschen Steuerzahler keinen Euro gekostet. Außerdem werde leichtfertig noch vor den WTO-Verhandlungen über den Weltmarkt eine einseitige Vorleistung erbracht. Dass Brasilien künftig billigen Zucker in die EU schaufeln könne, bringe nur ganz wenigen Geld. Weßling: »Für uns Bauern aber wird der Zucker unrentabel, ohne dass dadurch ein einziges Bonbon künftig billiger werden kann.« Dieses »Fanal der Unvernunft«, so der Kreisvorsitzende wörtlich, wollten die Landwirte mit Mahnfeuern beantworten.

Artikel vom 30.11.2004