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Junge Köpfe mit frischen Ideen

»Hermes-Trio« brillierte auch in veränderter Besetzung im Schloss Hüffe

Hedem (WB). Musiker sind eine besondere Gattung. Sie knüpfen schnell Kontakt zueinander, weil die Musik die Basis ihrer Verständigung ist. Keinen ernst zu nehmenden Musiker interessiert, welche Sprache der andere spricht oder welcher Hautfarbe oder Religion er angehört. Hauptsache, man kann gute Musik miteinander spielen. So kennt man sich und bleibt untereinander verbunden, selbst wenn man an entfernten Orten tätig ist.
Bogdan Zvoristeanu (Violine), Aroa Sorin (Viola) und Ilona Kindt (Violoncello, v.l.) rissen das Publikum zu Bravo-Rufen hin.
Das Publikum des Konzerts auf Schloss Hüffe aus der Reihe »Kammermusik in Schlössern und Herrenhäusern« - dem Kreis Minden-Lübbecke kann man nicht genug für diese Konzertreihe danken - konnte froh darüber sein, ganz abgesehen von dem Glück, auserwählt zu sein, denn Fortuna entschied über die Vergabe der Eintrittskarten.
Wochen vor diesem Konzert entfloh eine Botin des für diesen Abend verpflichteten »Hermes-Trios« und ließ ihre beiden Kolleginnen, alle drei übrigens Studentinnen der Kammermusik in Hamburg, allein zurück. Eine dieser beiden wusste aber Rat und bat einen Kollegen aus Genf, den Konzertmeister des »Orchestre de la Suisse Romande«, auszuhelfen. Dieser ließ sich nicht lange bitten und kam. So saßen ein Konzertmeister und zwei Studentinnen im Spiegelsaal des Schlosses Hüffe und boten dem Publikum einen abwechslungsreichen Abend mit Streicher-Trios von Beethoven, Schubert und v. Dohnanyi.
Umsetzungsbedingt musste ein Werk aus dem eigentlich geplanten Programm gestrichen werden. Stattdessen erklang eine Komposition von Schubert. Schade. Das will nicht heißen, dass diese Wahl nur zweitklassig gewesen wäre. Im Gegenteil. Schuberts Kammermusik gehört mit zu dem Anspruchsvollsten dieser Gattung. Aber das eigentlich geplante Trio von Bohuslav Martinu hätte dem Konzert eine weitere, besondere Tendenz gegeben. Dies zeigte sich spätestens in der abschließenden Serenade des Neoklassizisten Ernst von Dohnanyi.
Junge Köpfe - frische Ideen. Wie in allen Handwerksberufen - zu denen die Musik sicher auch gehört - gehören die alten Meister zum Grundbestand des Repertoires. Doch damit ist erst der Anfang erreicht. Die Erarbeitung unbekannterer Meister mit neuem Schwung und neuen Ideen gehört mit zu den Tugenden jeder Studentenklasse.
Dohnanyis Serenade besticht in ihren fünf Sätzen durch Originalität, Finesse und ungeheuren Klangreichtum. Dabei sind sie sehr kompakt in der zeitlichen Ausdehnung. Nur zu oft entgleitet dem Komponisten das Verhältnis zwischen musikalischer Aussage und dem passenden Maß ihrer Dauer. Hier nicht. Dabei öffnet Dohnanyi bislang verschlossene Türen zu neuen Klangräumen. Eine Besonderheit, die man bei vielen neoklassizistischen Komponisten wiederfindet (wie z.B. auch bei Pokofjew).
Den Beginn des Konzertes machte - ganz klassisch - ein frühes Streichtrio von Ludwig van Beethoven, op. 9 Nr. 1. Es besitzt noch nicht so sehr die charakteristische Tonsprache, die man in seinen Sinfonien oder Streichquartetten wiederfindet. Seine Werke gehören aber zum Basiswissen eines jeden Kammermusikers. Dies gilt in gleichem Maße auch für Schubert, dessen Trio D 581 in B-dur - als Ersatz für Martinus Trio - gespielt wurde.
Das »Hermes-Trio« mit Bogdan Zvoristeanu (Violine), Aroa Sorin (Viola) und Ilona Kindt (Violoncello) brillierte in jeder Sparte, von Klassik bis Neoklassik. Ihre wahre Leidenschaft spielten sie allerdings in Dohnanyis bereits erwähnter Serenade aus. Unglaublich fesselnd musizierten sie dieses Werk, ließen sich inspirieren von den erweiterten Klangmöglichkeiten und beeindruckten das Publikum in besonderem Maße. Es war der Glanzpunkt des Kammermusikkonzerts, der dem Publikum spontane »Bravo«-Rufe entlockte. Wunderbar. Matthias Westerkamp

Artikel vom 01.12.2004