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Spitzzüngiges
an der Hotelbar

Rocktheater »Nachtschicht« zu Gast

Von Thorsten Böhner
Delbrück (WV). Wenn Ruhrpottkumpel in Ostwestfalen auflaufen, ist das kein leichtes Unterfangen. Das bekam vor kurzem schon Borussia Dortmund gegen Arminia Bielefeld zu spüren, und auch dem Rocktheater »Nachtschicht« blieb die Erfahrung nicht erspart.

Am Samstag Abend gab sich das männliche Quartett in der Delbrücker Stadthalle mit dem aktuellen Programm »Grandhotel Ich« die Ehre. Direkt an der Rezeption werden improvisierte Telefonate zwischen Hotelbediensteten und potenziellen Kunden zum Besten gegeben.
Stichwort Fußball: Zu den gelungeneren Einlagen des Abends zählt der Schalke-Manager, der sich über den Klub »nördlich von Lüdenscheid« auslässt, aber auch den eigenen Verein kritisch beäugt. Sind da doch die vielen undankbaren ausländischen Kicker, die er quasi aus reiner Selbstlosigkeit von der Dritten Welt direkt in eine Nobelabsteige gelotst hat, Vollpension und Armani-Shopping inbegriffen. Auch bricht er eine Lanze für die Fans. Denen ist schließlich egal, »aus welchem Busch der Neger kommt, solange er seine Tore schießt.« Und hier im Pott sind die Ausländer noch gut bedient. Bei den Bayern werden die Kicker zu besonderen Anlässen in Lederhosen gezwängt - auch die »Schwatten«.
Einem recht amüsanten Telefonat mit Hitler-Darsteller Bruno Ganz folgt eine weniger gelungene Wettervorhersage in Person des vermeintlichen Führers. Stimmung kommt auf, als alternde Models mit hautengem Outfit und wackelnden Hintern posieren. »Da feiert die Arthrose, und der Drogenmissbrauch vergangener Jahre macht sich bezahlt.« Mittels eingespielter Filmsynchronisationen wird das Leben Arnold Schwarzeneggers nachgezeichnet, bevor es ihn in politische Gefilde verschlug.
Am Ende steht der Austausch diverser Hotelbarphilosophien. Hier liefern sich zwei Alkoholisierte einen genüsslichen Schlagabtausch. Sie diskutieren mit vollen Köpfen, um anschließend - wie echte Kerle - gemeinsam noch einen zu heben. Grundlegende Probleme, ob der Finalschnitt beim Mann (sprich: Sterilisation) schlimmer ist als ein Hämorrhoidenleiden, oder ob man angesichts beruflicher Perspektivenlosigkeit eine Anstellung als Sterbehelfer in Holland annehmen soll, werden nicht wirklich geklärt. Zumal man sich - dank Alkohol - auch ganz gut ohne fremde Hilfe zugrunde richten kann. Hervorzuheben ist nicht nur hier die Leistung von Fritz Eckenga, der wohl nicht von ungefähr den weitgehend dominantesten Part auf der Bühne hat.
Hier und da geben die vier Herren rockige Songs zum Besten, deren Komposition mehr zu überzeugen weiß als die Texte, bei denen der Funke - wie beim gesamten Programm - nicht so recht überspringen will. So klingt denn auch eine Zeile im Schlussakkord wie eine kleine Rechtfertigung: »Mehr konnten wir nicht für Sie tun!« Naja, dann...

Artikel vom 30.11.2004