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Gruseliges Spiel mit der Fantasie

Großartige Technik macht »Die Frau in Schwarz« zum wahren Erlebnis

Von Wiebke Henke
Espelkamp (WB). »Sie zogen aus, um das Fürchten zu lehren« - so könnte die Motivation der Schauspieler beschrieben werden, die am Samstagabend dem Espelkamper Publikum im Neuen Theater das Gruseln nahe brachten. »Die Frau in Schwarz«, ein Stück von Stephen Mallatratt, ist eine schauerliche Gespenstergeschichte von Susan Hill.

So mancher mag sich wieder einmal die Frage gestellt haben, ob es Geister und Gespenster wirklich gibt, so täuschend echt wirkte das Stück auf die Zuschauer. Zu verdanken war dieses Gefühl des Schocks und des stockenden Atems jedoch nicht nur den Schauspielern. Licht und Ton, perfekt abgemischt von Urs Douwes und Marcus Halbig, trugen im Wesentlichen dazu bei.
Das gesamte Stück spielte mit der Fantasie des Publikums. Ein eher karges Bühnenbild nahm dank der beiden Techniker immense Formen und Gestalten an. Da erscheint ein Pferd vor dem Auge des Publikums, wo doch eigentlich gerade nur zwei Koffer standen. Das gesamte Stück brauchte keine großartige Kulisse. Knatschende Türen oder Fenster sind zu sehen, wo es keine gibt.
Das Stück der »Frau in Schwarz« ging unter die Haut: Es beginnt als Theater im Theater. Mit dem jungen Schauspieler, grandios dargestellt von Timothy Peach, der vielen Zuschauern aus zahlreichen deutschen Serien wie »Balko«, »SOKO«, »Der Bulle von Tölz« oder »Alle meine Töchter« bekannt ist, geht Mister Arthur Kipps, dargestellt von einem überzeugenden Holger Schwiers, noch einmal, ganz langsam und Schritt für Schritt, die grausigen Geschehnisse in seiner Vergangenheit durch. Als junger Anwalt nämlich muss Kipps in eine gottverlassene Gegend reisen, wo er sich um den Nachlass einer verstorbenen Klientin kümmern soll.
Es handelt sich um eine alte Dame, über die kaum jemand ein gutes Wort verliert. Der junge Arthur Kipps lässt sich davon nicht beeindrucken. Zunächst jedenfalls. Bis bei der Beerdigung erstmals die mysteriöse Frau in Schwarz auftaucht. Anscheinend hat jeder in diesem Dorf von den Geschehnissen gehört, doch keiner verliert ein Wort darüber oder öffnet sich dem Anwalt.
Was Mister Kipps erst als Blödsinn abtut, versetzt ihn selbst auch in Angst und Schrecken - spätestens zu dem Zeitpunkt, da er das Anwesen der Verstorbenen begutachtet. Mit ihm zitterte während der ganzen Zeit auch das Publikum. Fast jedem stockte wohl der Atem, als er glaubte, Fledermäuse fliegen über ihn hinweg, oder als alte Türen plötzlich unerwartet irgendwo zufielen.
Den beiden Schauspielern sowie Ellen Schwiers, die neben der Frau in Schwarz auch Regisseurin war, und den Technikern gelang es, intensiv mit der Fantasie des Publikums zu spielen. Die Bemerkung, draußen wehe ein eiskalter Wind, genügte, um das Publikum glauben zu machen, diesen Wind ebenfalls zu spüren.
»Die Frau in Schwarz« war eine beeindruckende Darstellung und ein wahrer Erfolg für das Volksbildungswerk Espelkamp, das mit der Verpflichtung des Ensembles einen Glücksgriff getan hat.

Artikel vom 30.11.2004