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Europas erstes
Kunstherz
schlägt schon

Tierversuche beginnen im Januar

Von Christian Althoff
Bad Oeynhausen (WB). Das NRW-Herzzentrum in Bad Oeynhausen übernimmt den medizinischen Part bei der Entwicklung des ersten voll implantierbaren europäischen Kunstherzens. »Im Januar beginnen wir mit den Tierversuchen«, kündigte Herzchirurg Prof. Reiner Körfer am Freitag an.
Herzchirurg Reiner Körfer
Das Kunstherz: Eine elektrische Kolbenpumpe sitzt zwischen den Herzkammern und bewegt bis zu sieben Liter pro Minute.

568 Menschen warten derzeit in Deutschland auf ein Spenderherz. Jeder fünfte von ihnen wird sterben, bevor ein Organ gefunden ist - weil es noch immer zu wenig Spender gibt. In einigen Fällen kann Patienten mit externen Pumpsystemen geholfen werden, die Zeit bis zur Transplantation zu überstehen. Ein Herz-Ersatz ist das aber nicht. Deshalb hatten Patienten und Ärzte ihre Hoffnung lange Zeit in das erste voll implantierbare Kunstherz gesetzt - das Titan-Herz »Abiocor«, das der US-Hersteller Abiomed seit 2001 an Menschen testet.
Das Herzzentrum in Oeynhausen sollte ursprünglich die erste Klinik Europas sein, die das »Abiocor« einsetzen sollte. Doch inzwischen ist Prof. Reiner Körfer skeptisch: »Die bisherigen Erfahrungen in den USA sind nicht so gut. Ein Patient hat ein Jahr überlebt, die anderen starben nach ein bis sechs Monaten, weil es zu Blutgerinnseln gekommen war.«
Körfer hat sich deshalb entschlossen, selbst in die Kunstherzforschung einzusteigen und mit dem Helmholtz-Institut der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) in Aachen zu kooperieren. Dort ist Diplom-Ingenieur Paul Kwant bereits seit zwei Jahren maßgeblich mit der Entwicklung eines Kunstherzens beschäftigt. Körfer: »Wir haben in Oeynhausen schon 860 Patienten mit elf unterschiedlichen Herzunterstützungspumpen versorgt. In Aachen soll jetzt versucht werden, die Vorteile der unterschiedlichen Modelle in einem Kunstherzen zu bündeln.« Aus Oeynhausen fließen deshalb nicht nur mehr als 100 000 Euro Forschungsgelder nach Aachen (Körfer: »Spenden, die ich in Ostwestfalen-Lippe eingeworben habe«). Auch fünf Mitarbeiter des Herzzentrums mit Körfer an der Spitze werden den medizinischen Teil der Entwicklung übernehmen und den Prototypen Anfang 2005 einem Kalb einsetzen.
Ingenieur Paul Kwant: »Das Aachener Herz hat drei Vorteile: Es ist kleiner und leichter als das Abiocor, braucht mit zwölf Watt nur etwa halb so viel Energie und lässt das Blut passiv einströmen, anstatt es anzusaugen, was beim Abiocor zu Gewebeschäden geführt hat.«
Professor Körfer: »Im Labor schlägt das Herz bereits mit einem Puls zwischen 60 und 140. Man weiß allerdings nie, welche Überraschungen man bei einem Tierversuch erlebt.« Nur wenn alles problemlos laufe, könne in etwa zwei Jahren an eine klinische Studie gedacht werden.

Artikel vom 27.11.2004