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ALG II: Beratung
direkt vor Ort

Sozialdezernent im Ausschuss

Von Stefanie Westing
Espelkamp (WB). Komplizierte Bescheide, keine ausreichende Finanzierung und ein fehlerhaftes System: Auf die Empfänger des Arbeitslosengeldes (ALG) kommen harte Zeiten zu. Hans-Joerg Deichholz, Sozialdezernent des Kreises, informierte am Donnerstag im Ausschuss für Beschäftigung und Soziales über die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum 1. Januar 2005.

»Das Arbeitslosengeld II verändert die soziale Landschaft dramatisch - und das in einer Zeit, in der die Arbeitslosenzahlen steigen und freie Stellen zurückgehen«, sagte Deichholz. »Nicht oder schlecht ausgebildete Menschen werden im ersten Arbeitsmarkt nicht benötigt, bei einer Arbeitslosigkeit über 50 Jahren ist eine Rückkehr praktisch ausgeschlossen, ab Mitte 40 gelten die Leute zum Teil als zu alt, und inzwischen werden auch junge Menschen mit einer abgeschlossenen Ausbildung zunehmend nicht mehr gebraucht«, schilderte der Sozialdezernent die traurige Situation. »Gleichzeitig setzen Großunternehmen trotz guter Betriebsergebnisse Mitarbeiter frei.«
Die sechs bis acht Seiten langen Bescheide für das ALG II (Deichholz: »Nicht, weil wir es so witzig finden, sind sie so lang, sondern weil unter Umständen so viel anzurechnen ist.«) seien komplizierter als die Steuererklärung - dazu komme ein fehlerträchtiges System. »Es entsteht kein finanzielles Loch für die Empfänger, aber es wird viele Nachfragen geben und sicher auch so manches Widerspruchsverfahren.«
Die Finanzierung sei kompliziert: Von etwa 10 000 Bedarfsgemeinschaften geht der Kreis insgesamt aus - der Bund rechne aber »nur« mit 7700, daher sei das System unterfinanziert. Von den 10 000 hochgerechneten Bedarfsgemeinschaften entfallen rechnerisch 976 auf Espelkamp. »In Espelkamp werden für die Bürger, die Anspruch auf das Arbeitslosengeld II haben, alle Leistungen aus dem Sozialamt bezahlt, und zwar das Arbeitslosengeld II an sich und auch die Kosten der Unterbringung.«
Die Stadt Espelkamp wird eine der Außenstellen sein, die mit »Pro Arbeit« eine Betreuung direkt vor Ort anbieten kann. Dazu werden im Moment am Standort der ehemaligen Mittwald-Bank die Räume eingerichtet. Von dieser Außenstelle werden auch die Betroffenen in Rahden und Stemwede mitbetreut. Der Vorteil des Sechs-Jahres-Projektes: »Sozialamt und Beratungsstelle liegen nah beieinander.«
Für ihn das »Unwort des Jahres« sei der Ausdruck »Ein-Euro-Job«, machte Deichholz klar. »Es sind Arbeitsgelegenheiten. Außerdem werden konkret 1,50 Euro als Mehraufwand bezahlt.« In Zeiten, in denen der erste Arbeitsmarkt »nicht Willens oder nicht in der Lage ist, für Vollbeschäftigung zu sorgen«, sei das Angebot sinnvoll. »So kann niemand behaupten, die Leute wollten gar nicht arbeiten. Nicht wenige sind froh, wieder etwas tun zu können.« Mit 1000 Angeboten, alle verbunden mit Betreuung und einem Stück Qualifikation, wird gestartet.

Artikel vom 27.11.2004