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Schnupperhaft
war heilsam

Bewährung für Kleindealer


Von Wolfgang Clemm
Herford (HK). Seine erste Vorstrafe erhielt der 24-jährige Sebastian M (Name geändert) vom Herforder Schöffengericht, dabei stieg er aber gleich ganz ordentlich ein: Wegen zwei »Einkaufsfahrten« nach Enschede mit insgesamt 800 Gramm Marihuana und 450 Gramm Haschisch plus anschließendem gewinnbringenden Weiterverkauf bekam er 18 Monate mit Bewährung. Außerdem muss er 200 Arbeitsstunden ableisten und wird drei Jahre lang von einem Bewährungshelfer beaufsichtigt.
Der gebürtige Leipziger wirkte unausgeglichen: Nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1998 verkroch er sich vor der Welt und ließ die Maurerausbildung sausen. Nachdem sich die Freundin von ihm getrennt hatte, landete er in der Psychiatrie und im Betreuten Wohnen.
Beim ersten Termin am 27. Juli schwänzte er aus Angst und versteckte sich auch vor der Polizei. Um die jetzige Verhandlung sicherzustellen, verpasste ihm Amtsgerichtsdirektor Bernd Kahre sieben »Schnuppertage« in der JVA, die einen tiefen Eindruck hinterlassen haben. Sebastian M. rauchte gelegentlich »Gras« (Marihuana). Im Gegensatz zu vielen Kollegen hatte er aber noch Fahrerlaubnis und Auto. So fuhr er zweimal nach Holland, beim dritten Mal überprüfte ihn auf der Hinfahrt eine Polizeistreife. Da kehrte er lieber um.
Drollig wirkte ein bei ihm gefundener Zettel, auf dem er »kaufmännisch durchkalkuliert« (Kahre) hatte, wie die Ertragssituation bei der Einfuhr von 1000 Gramm Marihuana aussähe. Ergebnis: »1500 Riss«.
Immerhin war Sebastian M. einsichtig genug, sich Hilfe zu holen. Er wandte sich an die Diakonie, der Sozialberatungsdienst möchte ihn weiter betreuen. Auch die Schuldenregulierung ist angelaufen. Allein bei der Sparkasse sind 11 000 Euro offen, hinzu kommen Miet- sowie Unterhaltsrückstände für ein Kind (4).

Artikel vom 27.11.2004