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Aus Briefen an die Redaktion


Moneten, Togo
und Touristen
Der Beschluss des Gewerbevereins Wiedenbrück, auch von den caritativen Christkindlmarkt-Beschickern Standgebühren einzufordern, zieht weitere Leserreaktionen nach sich. In einem Brief heißt es:

Alle reden vom Kommerz - die Wiedenbrücker auch. Die Macher des Christkindlmarktes zeigen uns gerade, wie man alte Traditionen über Bord wirft, nur um ein paar (einträgliche) Tage länger die Stände öffnen zu können. Da legt man die Eröffnung kurzerhand auf einen Montag und bewegt sich damit wenig überzeugend in einem kalendarischen Niemandsland zwischen Totensonntag und erstem Advent. A propos Advent: Klingelt's da bei Ihnen, liebe Leute vom Gewerbeverein? Hat ein Christkindlmarkt nicht auch etwas mit der Adventszeit zu tun? Sollte er deswegen nicht parallel terminiert sein?
Besagter Zeitraum dauert immerhin vier Wochen - für manche Leute offenbar noch nicht lang genug. Für andere schon: Die Aegidius-Kirchengemeinde öffnet ihren Stand ganz bewusst erst am Wochenende. Wenn die Betreiber jener Stände, die sich einem guten Zweck widmen, über die hohen Gebühren klagen, so ist dies eine zweischneidige Angelegenheit. Natürlich wäre es schöner, wenn jeder eingenommene Euro (zum Beispiel) in die Entwicklungshilfe flösse. Aber wer beschert denn der Indien- oder Togo-Hilfe die Scharen an Touristen, Tagesausflüglern und sonstigen interessierten Besuchern? Eine Antwort ist fast müßig: Atmosphäre, Lichterstimmung, Musikprogramm, Marktorgel, Kinderkarussell und und und - das ist alles nicht zum Nulltarif zu haben. Einen gewissen Anteil an der Finanzierung müssen auch die Standbetreiber mit sozialem Hintergrund übernehmen - das nennt man dann wohl Solidarität.
Dass die Heidbrinkschule inzwischen ausgewandert ist und wieder einen Schulbasar anbietet, tut weh. Dem Christkindlmarkt geht ein Stück Vielfalt verloren.
Noch einmal zurück zum Kommerz. Wir könnten es ja in Wiedenbrück auf die Spitze treiben, ganz wie in dem Popsong »I Wish It Could Be Christmas Everyday« (Ich wünschte, es könnte jeden Tag Weihnachten sein). Wir überdachen den Markt, richten ein 365-tägiges Weihnachtsparadies ein (so wie es ja auch Tropen-Badeparadiese mitten in Holland gibt), lassen permanent Schnee vom Himmel rieseln und die Kinder Weihnachtslieder singen. Dann fehlt nur noch ein Etat, um kräftig die Werbetrommel zu rühren, vor allem im Ausland. Wär doch gelacht, wenn die Japaner auf ihrer Rückreise von Neuschwanstein nicht noch einen Abstecher zum Christkindlmarkt machten. Verdienen ließe sich daran ganz prächtig, und darum geht es doch allen, oder?
Na gut, das ist alles nicht ganz erst gemeint - genauso wenig wie der Popsong vom ganzjährigen Weihnachtsfest. Der fängt nämlich mit dem Geräusch einer klingelnden Registrierkasse an . . .

Stefan und Brigitte Lind
3 33 78 Rheda-Wiedenbrück

Artikel vom 26.11.2004