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Junge Texte erzählen
von deutschem Alltag

Franziska Gerstenberg liest aus »Wie viel Vögel«

Steinhagen (WB). Wie sieht es aus, das Deutschland der jungen Generation, der 20-Jährigen? Für sie ist das einig Vaterland selbstverständlich, und sie haben einen ganz eigenen, selbstbewussten und sensiblen Blick auf den Alltag. Diese ungezwungene Perspektive präsentierte Franziska Gerstenberg am Dienstag in der Buchhandlung Lechtermann.

Auf Einladung der Buchhandlung, der Gemeindebibliothek und der Volkshochschule las die 25-jährige Nachwuchsautorin aus ihrem Debütband »Wie viel Vögel«. In Dresden geboren, entschied sie sich früh für die Schriftstellerei, erhielt für ihre Veröffentlichungen Preise und Stipendien und lebt jetzt in Hannover. Ein Roman ist noch nicht geplant. »Ich habe das zwar probiert, habe aber festgestellt, dass ich dazu keine Geschichte in mir habe«, sagt sie. Also werden es weiter Erzählungen sein. Und wer der jungen Autorin an diesem Abend zugehört hat -Êleider kamen nur zwei handvoll Zuhörer in die Buchhandlung -, der wird sich auf weitere Kurzprosa freuen.
Schnörkellos und direkt kommt Franziska Gerstenberg in ihren Texten auf den Punkt, und doch erzählt sie leise und mit stiller Sympathie für ihre Figuren. Da ist in »Borschtsch« etwa Laura, die in einer Billardkneipe auf Alexander trifft. Liebe auf den ersten Blick? Vielleicht. Jedenfalls nimmt Alexander sie mit zu sich nach Hause, zu seiner russischen Familie. Fotoalben, Borschtsch und Wodka -Êund am Ende der verheißungsvolle Satz: »Du wirst auch eine schöne Braut sein.«
Oder die Liebe am Scheideweg, wie sie in »Wachteln, Kinder, Konzentration« geschildert wird. Sehr präzise arbeitet Franziska Gerstenberg die auseinander driftenden Gefühls- und Wahrnehmungswelten des beobachteten Paares heraus.
Angeregt durch den wunderbaren Steinhagener Kirchplatz, wie sie sagte, las Franziska Gerstenberg auch erstmals ihre Weihnachtsgeschichte »Doch Schnee«. Ein Weihnachten ohne die Mutter, die die Familie verlassen hat. Doch gemeinsam gelingt es der Hauptfigur, dem hilflos wirkenden Vater und der jüngeren, pubertierenden Schwester einen schönen Abend zu erleben. Der Schnee am Ende gar ein Zeichen von Segen?
Friederike Niemeyer

Artikel vom 25.11.2004