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Großer Zusammenhalt schafft Vertrauen

Die STEMWEDER ZEITUNG besucht im zweiten Teil das Kinderhaus in Arrenkamp

Von Felix Quebbemann
Stemwede (WB). Im zweiten Teil über das heilpädagogische Kinderhaus begleitet die STEMWEDER ZEITUNG die 17-jährige Melanie (Name von der Red. geändert) durch den Tag.
Ein offener Arbeitsplatz erleichtert die Kommunikation zwischen Pädagogen und Kindern.

Im Kinderhaus in der Schepshaker Straße in Arrenkamp wohnt Melanie zusammen mit vier weiteren Mädchen und einem Jungen. Ihre Mitbewohner sind gerade beim Frühstück. Sie schaut zunächst einmal auf den Waschplan. Denn auch in diesem Haus wird die Arbeit eingeteilt. In dem Hauswirtschaftsraum steht in einer Ecke das Bügelbrett, in der anderen die Waschmaschine. Ein ganz normaler Haushalt eben.
»An einem Schultag kommen wir etwa gegen 13.30 Uhr nach Hause«, erklärt die junge Frau. Dann wird gegessen und Hausaufgaben gemacht. Viele der Jungen und Mädchen in den Stemweder Kinderhäusern gehen in Wehdem zur Schule - einige auch nach Espelkamp oder sogar nach Lübbecke.
Sind die Hausaufgaben fertig, steht den jugendlichen Bewohnern bis etwa 18 Uhr die Zeit zur freien Verfügung. Melanie liebt es, Musik zu hören. Doch häufig geht sie auch ins Gemeindezentrum. Nach dem gemeinsamen Abendbrot dürfen die Älteren dann noch bis etwa zehn Uhr aufbleiben. Natürlich müssen erst die täglichen Dienste erledigt werden. »Am Sonntag, dem Familientag, wird das besonders ordentlich gemacht«, sagt Melanie.
Sie und ihre Mitbewohner haben es sich in dem Kinderhaus gemütlich gemacht. An den Wänden hängen Poster ihrer Idole oder aber Fotos und Karten von Freunden. Der Fantasie in der Gestaltung des eigenen Zimmers sind keine Grenzen gesetzt. Schleier über dem Bett, farbenfrohe Einrichtung. Die Jungen und Mädchen sollen sich schließlich in ihrem Reich wohl fühlen.
Durch interne therapeutische Angebote wie Musikschule, Verhaltenstherapie oder Schülerhilfe soll den Jugendlichen zudem geholfen werden, ihre Probleme in den Griff zu bekommen. Beliebt bei den Jugendlichen ist vor allem das heilpädagogisch orientierte Reiten. Hierfür steht dem Kinderhaus auch ein angemietetes Gelände mit Pferden zur Verfügung.
Dort halten sich Melanie und Frank (Name von der Red. geändert), der im Dielinger Kinderhaus wohnt, gerne auf. Und natürlich lieben es die Tiere, die ein oder andere Streicheleinheit zu bekommen. Durch ihre Zutraulichkeit fassen die Kinder auch sehr schnell Vertrauen zu den Vierbeinern. Und genau darauf, so Lothar Pannen, Träger der Stemweder Kinderhäuser, kommt es an. Beim Betreten des Stalls reckt schon ein Pferd den Kopf hervor. Das Zeichen ist eindeutig. Der braune Vierbeiner will gekrault werden und das erledigen Melanie und Frank liebend gerne. Noch bis vor einem Jahr hat Melanie das Angebot des heilpädagogisch orientierten Reitens auch genutzt. In der letzten Zeit jedoch sei sie nicht mehr dazu gekommen.
Durchschnittlich viereinhalb bis sieben Jahre bleiben die Jungen und Mädchen in den verschiedenen Einrichtungen der Stemweder Kinderhäuser. In dieser Zeit soll ihnen vor allem Stabilität gegeben werden, so dass auch sie einmal eine Familie gründen können, ohne dass ihre Nachkommen wieder Jugendhilfe beanspruchen müssen, Um dieses Ziel optimal erreichen zu können, nehmen die Mitarbeiter an Fortbildungs- und Qualifikationsmaßnahmen teil, die zum großen Teil in der Wilhelmshöhe in Haldem stattfinden. Damit, sagt Lothar Pannen, hätte das Kinderhaus die finanziell günstigste Möglichkeit gewählt.
Finanziert wird die Einrichtung in Stemwede durch Tagessätze, erläutert Pannen. So bezahle der Kreis Minden-Lübbecke zum Beispiel nur für die Plätze, die Kinder aus dem Mühlenkreis belegen. Kommt das Kind aus einer kreisfremden Stadt, übernimmt die jeweilige Stadtverwaltung die Kosten. »Die Entgelte für die Unterbringung der Jugendlichen werden mit dem Kreis verhandelt. Er hat die Aufsicht und prüft die Sparsamkeit sowie die Sachdringlichkeit. Die anderen Jugendämter sind dann daran gebunden«, erklärt der Leiter. Darüber hinaus plant Pannen zum 1. Januar 2005 die Gründung einer Stiftung.
Das alles aber interessiert Frank und Melanie nicht vorrangig. Sie sind froh, dass sie im heilpädagogischen Kinderhaus endlich ein zuhause gefunden haben, wo sie sich wohlfühlen. Und bei einem Besuch in dem Haldemer Kinderhaus, wo der Altersdurchschnitt gerade einmal fünf Jahre beträgt, wird schnell klar, wie groß der Zusammenhalt der Jungen und Mädchen ist. Hier wohnen die »Nesthäkchen«, und die freuen sich sehr, als Frank und Melanie -Êdie etwas Größeren -Êsie besuchen kommen. Mit lautem Kinderlachen werden die beiden begrüßt. Bruno, der junge Hund, kündigt den Besuch schon mit freudigem Gebell an.
Vorbei geht es an den säuberlich aufgereihten Schuhen in den Wohnbereich. Fotos zeugen von der Fahrt nach Hamburg im vergangenen Jahr, an der alle Kinder teilgenommen haben. Und im nächsten Jahr, so sieht es zumindest der Plan vor, soll es nach Holland gehen. Dann fährt Frank mit seinem Bruder, der im Kinderhaus Haldem wohnt und den er einmal pro Woche besucht, gemeinsam in den Urlaub -Êmit der ganzen großen Kinderhaus-Familie. Das wird sicherlich ein Spaß für Frank, Melanie und die anderen 52 Kinder.

Artikel vom 20.11.2004