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Verstörend
schöne Bilder

Lyrikerin Judith Herzberg zu Gast

Von Rainer Maler (Text und Foto)
Paderborn (WV). Nur ein »handverlesenes« Publikum kam in die Kammerspiele Paderborn, um die wichtigste zeitgenössische niederländische Lyrikerin Judith Herzberg aus ihren Gedichten lesen zu hören.

Die 1934 geboren Autorin überlebte die Okkupation der Nazis versteckt bei verschiedenen Familien. Heute zählt sie zu den bekanntesten Lyrikerinnen der Niederlande, hat aber neben Kinderbüchern auch zahlreiche Theaterstücke geschrieben. Im Jahr 2000 brachten die Paderborner Kammerspiele ihr Stück »Ein guter Kopf« auf die Bühne.
Lyriker haben es oft schwer: geringe Auflagen, meist nur eine Schar verschworener Leser. In den Niederlanden hat Judith Herzberg inzwischen zehn Lyrik-bände veröffentlicht, dort wird auch an den Schulen der Zugang zu dieser oft als schwierig angesehenen Form der Literatur früh vermittelt. Sie wird gelesen, ihre Gedichte sind sogar ins Chinesische übersetzt worden.
Die groß gewachsene Autorin mit den weichen Gesichtszügen las zuerst jeweils die deutsche Übersetzung, dann auf Niederländisch, manchmal zwei verschiedene Fassungen, um auf die Schwierigkeiten authentischer Übersetzungen hinzuweisen. »Sei froh, dass du noch lebst«, lautet die erste Zeile in dem Gedicht »1944«. Dort beobachtet ein Kind den Flug der Vögel, den nur die Flugzeuge der Luftwaffe stören.
Verstörend schöne Bilder entwirft die Autorin in ihren Gedichten, mal sind es Erinnerungen an die Kindheit, mal spricht sie von Orten, Reiseeindrücken, Begegnungen mit anderen Menschen, der Liebe und der Melancholie des Vergehens.

Artikel vom 22.11.2004