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Knapp an der Katastrophe vorbei

Feuer in Fachwerkhaus im historischen Stadtkern - Delikatessen-Geschäft zerstört

Von Klaus-Peter Schillig
Halle (WB). Das ist noch 'mal gut gegangen. Der historische Haller Kirchplatz ist Samstag Morgen nur knapp einer Feuer-Katastrophe entgangen. Das Delikatessengeschäft »Lebensart Nr. 50« im Kellergeschoss des Fachwerkhauses an der Ecke Rosenstraße/Lange Straße wurde fast völlig zerstört.

Rainer Maack, dessen Ehefrau Ursula Inhaberin der beiden »Lebensart«-Geschäfte in Halle ist, hatte um 8.54 Uhr noch einmal den Laden verlassen, um sich vor der Öffnung noch schnell eine Flasche Sprudel zu holen. Als er zehn Minuten später zurückkehrte, war es hinter den Fenstern schon verdächtig dunkel. Und als er die Eingangstür aufschloss, schlug ihm sofort schwarzer Qualm entgegen.
Größtes Problem für die sofort alarmierte Feuerwehr war es, überhaupt den Brandherd zu lokalisieren. Das kleine und niedrige Geschäft, von der B 68 aus im Erdgeschoss - vom Kirchplatz aus gesehen im Keller - ist nicht nur ziemlich verwinkelt, sondern war auch total verqualmt. »So dichten Rauch habe ich seit 30 Jahren nicht gesehen«, meinte Einsatzleiter Bernd Blachetta, der die anderweitig verpflichtete Führungsspitze des Löschzuges Halle vertreten musste. Erfolgreich, denn ohne das schnelle Vorgehen hätte der Brand auch ins Auge gehen können.
Erste Maßnahme: Der starke Entlüfter, ein Power-Ventilator, wurde in die Eingangstür gestellt und trieb den Rauch durch ein kleines Fenster an der Seite des Gebäudes ins Freie. Weil nur einen Meter entfernt schon das nächste Fachwerkhaus steht, wurde hier ein kleiner Trupp mit Strahlrohr postiert, um ein Übergreifen der Flammen zu verhindern. Die B 68 war durch die Löschfahrzeuge bis 11.30 Uhr komplett blockiert.
Derweil kämpften sich innen Christian Ottensmeier und Ralf Pahlkötter mit schwerem Atemschutz als erste durch den giftigen Qualm zum Brandherd vor. Mit Hilfe der neuen Wärmebildkamera (Blachetta: »Ohne die wäre gar nichts gegangen«) wurde das Feuer schließlich ausfindig gemacht: Es war im Bereich des Zählerkastens entstanden, wo 30 bis 40 Kabel aus dem ganzen Haus zusammenlaufen. Völlig verkohlt waren hier auch schon eine Kunststoffspüle und Inventar des Geschäftes.
Die Mieter in den beiden darüber liegenden Geschossen, eine fünfköpfige albanische Familie im Erdgeschoss und ein spanisches Ehepaar unter dem Dach, wurden von der Feuerwehr in Sicherheit gebracht. Beide Wohnungen waren zunächst nur durch Qualm in Mitleidenschaft gezogen, der auch unter das Dach des Nebenhauses gezogen war. Das Dachgeschoss konnte aber bereits am Samstag wieder genutzt werden, die albanische Familie kann heute wieder einziehen. Die Eltern waren für zwei Nächte bei Verwandten in Paderborn, die drei Kinder bei Schulfreunden in Halle untergekommen.
Deren Wohnung nämlich bekam am Samstag Abend dann doch noch etwas mehr mit: In der Kreuzung mehrerer Eichenbalken in der Decke zwischen Erdgeschoss und Keller hatte sich ein kleines Glutnest ausgeweitet und festgefressen. Gegen 18 Uhr wurde die Feuerwehr erneut alarmiert, obwohl Bernd Blachetta erst eineinhalb Stunden vorherbei einem Kontrollgang noch nichts Verdächtiges bemerkt hatte. Wieder wurde mit der Wärmebildkamera gesucht und das versteckte Glutnest entdeckt. Um überhaupt herankommen zu können, musste von der Küche aus ein Stück Mauer aufgestemmt und vom Keller aus mit der Kettensäge ein Teil der Verschalung entfernt werden.
Um alle weiteren Gefahren auszuschließen, wurden die durchglühten Eichenbalken mit viel Löschwasser regelrecht gebadet. Über Nacht blieb zudem eine fünfköpfige Brandwache - in mehreren Schichten - im Gebäude.
Der größte Schaden - vermutlich rund 50 000 Euro - dürfte im Ladenlokal entstanden sein. »Das Weihnachtsgeschäft ist dahin«, trauerte Rainer Maack den verlorenen Einnahmen und mancher Flasche mit gutem Wein nach. Und auch viele Einrichtungsstücke von ideellem Wert dürften nicht mehr reparabel sein.

Artikel vom 22.11.2004