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Das Wort zum Sonntag

Von Pastor Christoph Fischer, Gehlenbeck


»Wenn nur der Tod nicht so schwer wäre«, sagte Jum-Jum, »wenn nur der Tod nicht so schwer wäre und wir nicht so klein und einsam.« (aus „Mio, mein Mio“ von Astrid Lindgren).
Allerheiligen - Allerseelen - Volkstrauertag - Buß- und Bettag - »Totensonntag«. Tod liegt in der Luft. Trübe Novembertage mit Regen und Wind und Blätterfallen. Bäume werden kahl. Die Sommerzeit ist vorbei. Kurze, graue Tage und lange, schwarze Nächte.
Tod liegt in der Luft. Die Natur erinnert uns an den Tod. Sie erinnert uns an die Vergänglichkeit des Menschen. Auf unseren Friedhöfen liegen längst Totensonntagsgestecke. Wir erinnern uns an die Menschen, die wir im vergangenen Jahr begraben mussten. Junge Menschen mit dem Leben noch vor sich und alte, die dennoch zu früh gestorben sind. Eltern und Großeltern, Geschwister, Söhne und Töchter. Menschen, die wir geliebt haben.
»Wenn nur der Tod nicht so schwer wäre und wir nicht so klein und einsam.« Wir Christen glauben, dass der Tod für den Verstorbenen ein Gewinn ist, weil der Mensch über den Tod hinaus in Gottes Hand ist. Doch Menschen, die Abschied nehmen müssen, erleben die Schwere des Todes und die eigene Einsamkeit. Der Tod macht einsam, auch wenn noch so viele Menschen um einen herum sind. Er macht einsam, weil eine ganz spezielle und ganz besondere Beziehung nicht mehr existiert.
Allerheiligen bis Totensonntag: Das Ende des Kirchenjahres liegt in einer trüben Zeit. Und jedes Jahr versuchen wir dies zu bekämpfen, indem wir uns schon mal auf Weihnachten vorbereiten und vorfreuen. Mit geschmückten Läden, Weihnachtsgebäck und -schmuck allerorten, auch in Kirchengemeinden, wo ein adventliches Beisammensein oder ein Basar das Gemeindehaus schon im November füllt.
Wir versuchen, den Tod geliebter Menschen und die eigene Endlichkeit zu verdrängen und nicht darüber nachzudenken. Das ist etwas, das uns selber vor Trauer und Verzweiflung schützt. Und doch brauchen wir, glaube ich, auch das andere. Wir brauchen einen Ort, wo wir unsere Trauer und unsere Angst vor dem Tod und vor der Einsamkeit ausdrücken können. Wir brauchen den Friedhof, um zu den Gräbern unserer Angehörigen zu gehen. Und wir brauchen vielleicht auch die Kirchen, »heilige« Räume, um einmal im Jahr der Toten zu gedenken - so wie wir das am morgigen Sonntag mit den Verstorbenen des letzten Jahres tun.
»Wenn nur der Tod nicht so schwer wäre und wir nicht so klein und einsam.«
Manchmal brauchen Trauernde Orte, an denen sie erfahren, dass sie nicht allein sind und schon gar nicht klein - wenigstens einmal im Jahr.

Artikel vom 20.11.2004