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Ein Hexenritt
durchs Studio

Konstantin Scherbakow brilliert

Von Ruth Matthes
Herford (HK). Verwirrung machte sich im Publikum breit: Sollte dieses zarte, abgeklärte Stück Musik etwa die Promenade aus Mussorgskijs »Bilder einer Ausstellung sein«? Nein, sollte es nicht: Pianist Konstantin Scherbakow hatte sich lediglich die Freiheit genommen, Teil 1 und 2 seines Kammerkonzertes zu vertauschen. Eine dramaturgisch gute Idee für ein nicht minder gelungenes Konzert.

Der Virtuose, der für seine bisweilen eigenwilligen, jedoch überzeugenden Interpretationen bekannt ist, widmete sich im NWD-Studio ganz seinen russischen Landsleuten Dmitri Schostakowitsch, Sergej Rachmaninow und Sergej Prokofjew und eben Modest Mussorgskijs beliebtem akustischen Ausstellungsbesuch.
Wie er die Möglichkeiten des Präludiums und der Fuge A-Dur, op. 87 von Schostakowitsch auslotete, war beeindruckend: Wie aus einer anderen Welt klang das Präludium ins Studio. Abgeklärt und durchgeistigt stieg Scherbakov ein, um dann in der Fuge den Flügel mit seinem markanten Spiel gewaltig in Schwingungen zu versetzen.
Das Instrument machte an diesem Abend ohnehin einiges mit. Während der Pianist es bei Rachmaninows Präludien D-Dur und gis-Moll noch mit melancholischen und prickelnden Passagen streichelte, ging er vor allem im Finale der Sonate Nr. 7 von Prokofjew kräftig zur Sache: Mit hervorragender Technik, die nie reiner Selbstzweck war, und gestochen scharfer, rasanter Artikulation ließ er den 3. Satz zu einem furiosen Finale des ersten Konzertteils werden. Doch auch die vorangegangenen Sonatensätze hatte er mit seiner durchdachten Phrasierung höchst reizvoll und lebendig gestaltet.
Sein Talent für kontrastreiche, bis ins kleinste Details ausgefeilte Interpretation konnte Scherbakov dann bei Mussorgskijs programmatischen »Bildern einer Ausstellung« nochmals voll ausleben. Den polternden »Gnomus« gab er genau so überzeugend wieder wie die fiependen Küken oder die schnatternden Marktweiber. Einen geradezu brachialen Kontrast zeichnete er zwischen seinem andächtigen, von leisesten Trillern geprägten Besuch in den Katakomben und den teuflisch schnellen Akkordfolgen, zu denen er die Baba Jaga durchs Studio reiten ließ.
Das Publikum bedachte den Virtuosen mit lang anhaltendem stürmischem Applaus. Konstantin Scherbakov schien seinerseits auch Freude an den Herforder Zuhörern gefunden zu haben, denn er verwöhnte sie freigiebig mit drei Zugaben.

Artikel vom 19.11.2004