20.11.2004 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Das Wort zum Sonntag

Von Diakonin Jutta Witte-Vormittag


Im November gehen viele Menschen zu den Gräbern, um sie zu pflegen und mit frischem Grün zu schmücken. Die Begegnungen auf dem Friedhof, das Mitteilen der Erfahrungen von Trennung und Abschied, das Austauschen - all das kann helfen, Todeserfahrung, Schmerz und Trauer zu leben. Die Fragen nach dem Warum und Wieso von Tod und Sterben verunsichern Menschen und lassen Trennung und Abschied so hart erscheinen. Paulus, ein Missionar der Urgemeinde, fordert diese auf, sich stets daran zu erinnern: »Wir werden beim Herrn sein allezeit. So tröstet euch mit diesen Worten untereinander.« (1. Thessalonicher 4, 17,18)
Damit sind Erwartungen der Menschen verknüpft, die für Lebende und Tote gelten. »Wir werden beim Herrn sein!« Doch wie sieht das aus? Wie wird das sein? Wo ist er in Leid und Schmerz, der Herr und Gott? Gilt das gleichermaßen für die Lebenden und die Toten?
Verunsicherung und viele offene Fragen! Sich in solchen Situationen trösten zu lassen, das geht nicht alleine. Auch wenn Alkohol und Drogen häufig als Ersatztrost dienen. Trösten, dazu brauche ich Menschen, die Trost spenden. Liebeskummer, Trennungsschmerz und Abschied lassen sich schwer alleine ertragen. Jeder und jede weiß, wie gut es tut, wenn Menschen da sind, denen ich mich anvertrauen kann, die mich trösten und auffangen.
Wenn Kinder hinfallen, machen sie durch Weinen auf ihre Verletzung aufmerksam. Mit einem Pflaster auf der Wunde können sie jedem zeigen, wo sie verletzt sind. Das Pflaster signalisiert eine Verwundung und lädt dazu ein, die Kinder auf ihre Verletzung anzusprechen. Vielleicht werden sie dann bedauert, in den Arm genommen, getröstet, erhalten als Zuwendung und Trost eine Süßigkeit. Richtig trösten geschieht am besten durch Menschen, sie sich Zeit nehmen und zuhören, und an deren Schulter ich meinen traurig-schweren Kopf anlehnen kann. Doch oft mache ich die Erfahrung, dass über Verletzungen kaum gesprochen wird, dass Gefühle nicht gezeigt werden. Wie gehen wir mit unserem Bedürfnis nach Trost um? Wie machen wir auf unsere Verletzungen aufmerksam, damit wir getröstet werden? Wie machen wir das Pflaster auf unserer traurigen Seele sichtbar?
Paulus erinnert uns daran, uns untereinander zu trösten. Das heißt auch, sich seiner Sehnsucht nach Trost bewusst zu sein und sich trösten zu lassen. Dann kann ich Liebe und Zuneigung, Stärkung und neue Zuversicht erleben und über Verletzungen hinaus neue Kraft schöpfen. Die Verse aus dem Thessalonicherbrief wollen uns dazu ermuntern, uns unserer Sehnsucht nach Trost zu stellen, Trost anzunehmen und zu geben. »Wir werden bei dem Herrn sein allezeit. So tröstet euch mit diesen Worten untereinander!«
Gebet:
»Manchmal bin ich ganz unten. Dann sehne ich mich nach einem Menschen, der mich versteht. Der merkt, wie es mir geht. Gott, schenke mir den Mut, mich zu meiner Traurigkeit zu bekennen, damit ich Trost erfahren kann. Schenke mir wache Sinne, damit ich wahrnehme, wer mir nahe ist und wen ich ansprechen kann. Bewahre mich vor Verletzungen, schütze mich vor denen, die meine Offenheit als Schwäche abtun. Guter Gott, wenn es Trost gibt, dann lass ihn mich erfahren. Amen.« (Klaus Schaab)
Ich wünsche Ihnen zum Ewigkeitssonntag den Mut, tröstende Menschen in Ihrer Nähe anzusprechen.

Artikel vom 20.11.2004