19.11.2004 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Theater macht Kinder stark

Projekt »Mein Körper gehört mir« in der Grundschule Sürenheide

Verl-Sürenheide (ehl). Seiner Mutter hat der junge Fußballer davon erzählt, und auch seinem Trainer. Doch beide wollen ihm nicht glauben, dass der Onkel des Jungen, der in der gleichen Wohnung lebt, zudringlich geworden ist. Erst als sich der Steppke seiner Lehrerin anvertraut, bekommt er endlich Hilfe.

Szenen aus dem Projekt »Mein Körper gehört mir«, mit dem zwei Schauspieler der Theaterpädagogischen Werkstatt Osnabrück jetzt in der Grundschule St. Georg in Sürenheide gastierten. Dreimal kamen Gundula Runge und Ben Soyka für jeweils einen Vormittag in die Schule und befassten sich gemeinsam mit den dritten und vierten Klassen mit der Thematik »Sexueller Missbrauch«. Sie spielten kurze Szenen, schlüpften dann aus den Kostümen und damit aus ihren Rollen und redeten mit den rund 80 Mädchen und Jungen über das, was sich gerade auf der Bühne ereignet hatte. Da die Thematik einen sensiblen Umgang und eine vertraute Atmosphäre erfordert, arbeiteten die Schauspieler mit jeder Klasse einzeln.
Behutsam tasteten sie sich an das Thema »sexueller Missbrauch« heran. In einer der ersten Szenen bürstet einer der Akteure dem anderen die Haare. Zunächst ganz sanft, dann jedoch immer stärker und unangenehmer. So regten die Schauspieler die Kinder an, zwischen einem Ja-, also einem guten Gefühl, und einem Nein-Gefühl zu unterscheiden. In der zweiten Woche ging es dann um Missbrauch im engeren Sinne. Hier wurde das Thema Exhibitionismus angesprochen - und viele Kinder erinnerten sich, dass sich vor nicht allzu langer Zeit ein Mann in ihrem Wohnort Sürenheide in schamverletzender Weise gezeigt hatte.
Gestern schließlich stand der junge Fußballer im Mittelpunkt, der von seinem Onkel belästigt wird. Dass ihm zunächst kein Erwachsener glaubt, ist leider eine Erfahrung aus der Realität. »Bis zu zehn Anläufe muss ein missbrauchtes Kind nehmen, bis es Hilfe bekommt«, weiß Schulleiterin Petra Lillmeier. Zusammen mit ihren Kollegen greift sie die Thematik auch im Unterricht auf, so dass die Besuche der Schauspieler nicht als Einzelprojekt stehen bleiben. »Das ist inzwischen Teil unseres Schulprogramms«, erläutert sie.
Was sich den Kindern besonders einprägen soll, ist, sich in unbekannten Situationen drei Fragen zu stellen: Haben sie ein Ja- oder Nein Gefühl? Weiß eine bekannte Person, wo sich das Kind aufhält? Und kann es im Notfall Hilfe rufen? Wichtig findet Petra Lillmeier, dass das Projekt kein grundsätzlich negatives Gefühl vermittelt. Denn einige Szenen enden positiv, indem den Kindern einfache, aber hilfreiche Lösungen vorgespielt werden, wie sich Situationen entspannen lassen.
Knapp 1400 Euro kosten die Schule die Besuche der Theaterpädagogischen Werkstatt. »Die Gemeinde Verl als Schulträger übernimmt 25 Prozent der Kosten. Somit hätte jedes Kind 9,80 Euro selbst zahlen müssen«, erläutert Petra Lillmeier. Ein Betrag, der für manche Eltern viel Geld ist. Also wandte sich die Schulleiterin an die Fördervereinsvorsitzende Heike Ellers. Und die fand in Johann-Heinrich Frankenfeld einen Sponsor. Der Unternehmer und CDU-Kreistagsabgeordnete aus Verl stellte 500 Euro zur Verfügung, so dass der Eigenanteil pro Kind auf fünf Euro gesunken ist. Eine akzeptable Summe, findet Petra Lillmeier, und ist für die Unterstützung sehr dankbar.

Artikel vom 19.11.2004