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Kunst muss im Wege stehen und Anstoß
zur Auseinandersetzung geben

Zustimmung zur Verlagerung des Käfigs war ein Hagebölling-Fehler


Zum Thema »»Folterkäfig« des Paderborner Künstlers Wilfried Hagebölling auf dem Schulgeländes des Gymnasiums Theodorianum meinen diese Leser:
Ob ein Werk oder eine Aktion Kunst ist, entscheidet weder Gesetz noch Abstimmung. Als Künstler lasse ich mir weder von Staat und Kirche noch öffentlicher Meinung vorschreiben, wie meine Kunst zu sein hat, lasse mich nicht beherrschen. Das Anarchische ist in der Kunst impliziert. Tabubrüche werden begangen. Rechtsbrüche dann, wenn Willkür herrscht, auch in der Demokratie.
Der Folterkäfig ist eine Provokation. Dieser Aufschrei, diese Herausforderung ist wesentlich bei einer solchen Aktion. Wenn Provokation mit Ärgernis verwechselt wird bedarf es einer Begriffsklärung. Das Ärgernis ist nicht der Käfig an diesem Standort, sondern die Missachtung der Menschenrechte durch die Amerikaner im Irak, Guantanamo und in Afghanistan. Herr Schmandt sollte dies bedenken und gegenüber den amerikanischen Freunden, soweit er sie hat, deutlich machen.
Die Kunst ist frei, sagt und zeigt, was sie will, egal wie sehr Herr Schmandt auch bedauert, dass nicht gebührend auf seiner Ansicht nach ungesetzliche Aktionen reagiert wird. Mich erschrecken solche Ansichten zutiefst. Denn zwölf Jahre lang gab es in diesem Land Gesetze, die die Freiheit der Kunst verhinderten. Aber Kunst hält sich nicht an Gesetze, lieber geht sie in die Katakomben und arbeitet da weiter, oder, statt sich anzupassen, der Künstler ins Gefängnis. Künstler haben eine andere Wahrnehmung, besonders dann wenn auf solche Art und Weise Recht und Ordnung verlangt wird.
Besser konnte es nicht kommen. Unter dem Bericht über den Folterkäfig das Wort des Erzbischofs: »Wer schweigt, macht sich schuldig.« Die Kunst schweigt nicht, seit 200 Jahren schreit sie verstärkt das heraus, was Menschen durch »gesetzestreue« Machtausübende angetan wird. Heute ist der Schrei an die gerichtet, die schweigen oder wegschauen. Die Künstler klagen an, nehmen Stellung. Provokation bedeutet im ursprünglichen Sinn Herausrufen.
Meine Aktionen und Performances an zwölf Orten in Europa gegen die Verletzung der Menschenrechte waren Klage und Anklage. Die unterschiedlichen Erfahrungen, die ich machen konnte zwischen Frankreich und Luxemburg auf der einen Seite, im Gegensatz zu Deutschland auf der anderen Seite, brachte wichtige Erkenntnisse. Bei dieser Aktionsreihe hatte der Teil in Bonn eine Besonderheit. Polizei war von Bürgern, die darin eine Störung ihrer Ordnung sahen, gerufen worden. Die konnten die Aktion unterbrechen, mich aber nicht davon abhalten. Sie wurden Teil der Aktion und zogen sich wieder zurück. Eine solche Aktion hat ihre Eigendynamik und ist immer in der Gefahr, zu scheitern. Der Künstler als Aktionist bestimmt die Handlung, auch wenn Eingriffe von außen unvorhergesehen erfolgen.
Wilfried Hagebölling hat sich und seiner Aktion durch Zustimmung für einen anderen Standort des Folterkäfigs erheblich geschadet. Eine angeordnete und behördlich durchgeführte Entfernung des Folterkäfigs unter seinem energischen Protest war das folgerichtige Ende der Aktion. Das hat er verpasst.
Kunst muss im Wege stehen, Anstoß geben zur Auseinandersetzung. Mit Bildproduktionen von Volkshochschulkursen, ausgestellt in Bankfilialen, können allenfalls Streicheleinheiten erreicht werden. Von Kunst ist das weit entfernt. Aber genau das führt zu Leserbriefen wie am Freitag, in denen Besserwisser dem Künstler Vorschriften machen.
Die Regierenden in diesem Land können mit solcher angepassten Meinung zufrieden sein. Das Volk bleibt ruhig, ganz gleich, was beschlossen wird und ausgesaugt wird bei denen, die ohnehin ihr Minimum erreicht haben. Wir werden uns noch wundern, welche Lawine an Kosten für den Irakkrieg auf uns zukommt. Dagegen sind etwaige Kosten für eine Aktion bedeutungslos.
Noch gibt es Künstler, die mehr zu sagen haben mit ihren Werken als durch farbige Wände im Kanzleramt. Sie können mit ihrer Kunst aufmerksam machen, hinschauen muss jeder selbst.
JOHANNES HÜWEL

Bildhauer, Maler und Performer
Marienstraße 2
Fürstenberg

Artikel vom 17.11.2004