17.11.2004 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Die Kolumne Stadtgespräch erscheint mittwochs in dieser Zeitung.

Stadt
Gespräch

40 Jahre am »Katzentisch« (90. Folge)Willi Lükes Paderborn-Liebe


Nach Rainer Barzel, dem Bundestagspräsidenten a. D. und Paderborner CDU-Bundestagsabgeordneten von 1957 bis 1980, feiert nun auch der zweite Ehrenbürger unserer Stadt, Bürgermeister a. D. Wilhelm Lüke, runden Geburtstag. Barzel wurde im Sommer 80, Lüke wird am 22. November 70. Wie für Barzel gibt Bürgermeister Heinz Paus seinem Vorgänger einen Empfang im Rathaus.
»Die Liebe zu Paderborn hat stets mein Handeln bestimmt«, sagte Lüke einmal. »Ich wollte immer der Bürgermeister aller Paderborner sein«. Seinen Parteifreunden erläuterte er: »Wir brauchen drei Kategorien von Mandatsträgern. Die regional bekanntesten sind die wichtigsten, dann die unheimlich fleißigen und solche, die aus dem Stand reden können«. Zur gleichzeitigen Mitgliedschaft im Düsseldorfer Landtag: »Ich bin Bürgermeister genau in dem Bezirk, wo ich auch Abgeordneter bin. Mit den Bürgern spreche ich also gleichzeitig als ihr Landtagsabgeordneter und Bürgermeister«.
Lükes ehrenamtliche Tätigkeit reicht zurück bis in die Nachkriegszeit. Unter dem legendären Vikar Hermann Bieker war er Scharführer der Jugend der Herz-Jesu-Pfarrei. Der Paderborner CDU gehört der Sonderschulrektor a. D. seit 1965 an, schon sechs Jahre später übernahm er den Vorsitz. 1970 kam Lüke in den Kreistag, fünf Jahre später in den Paderborner Rat und wurde gleich Bürgermeister-Stellvertreter. 1985 zog er in den Landtag ein. Ab 1988 war er als Nachfolger von Herbert Schwiete bis 1999 Erster Bürger der Stadt und wurde beim Ausscheiden Ehrenbürger.
Mit Paul Schmandts Mittelstandsvereinigung und unter geistlichem Beistand der Franziskanerpatres Egbert und Gisbert waren wir 1976 gemeinsam in Bolton, Paderborns Sister-City. Lüke reiste als Bürgermeister-Vize mit und verblüffte im dortigen Rathaus mit feinstem Englisch. Ehrgeizig hatte er die Sätze auswendig gelernt.
In seiner Amtszeit wurden weitere Städtefreundschaften geschlossen: 1990 mit Belleville, 1992 Pamplona, 1933 Przemysl und 1994 Debrecen. Unter seinem Ratsvorsitz entstanden die Westtangente, der George-Marshall-Ring, die Parkhäuser Königsplatz, Neuhäuser Tor und Rolandsweg, dazu neue Wohn- und Gewerbegebiete in allen Stadtteilen. Lüke gibt aber auch zu: »Wir hatten nicht immer genügend langen Atem, zum Beispiel beim Mittleren Ring zwischen Neuhäuser- und Detmolder Straße und beim Gewerbepark Dreihausen bei Sande».
Als die Paderborner CDU am 27. November 1995 im Rathaus 50-jähriges Bestehen beging, konstatierte Lüke: »Nicht alles hat die CDU gemacht, aber nichts ging ohne die CDU«. Das volkstümliche Stadtoberhaupt blieb als Altbürgermeister und Ehrenbürger bis heute aktiv. Er wurde vielfach zum »Paus-Schatten«.
Am 26. August 1998 bewies ich im »Stadtgespäch« prophetische Gabe. Bürgermeister Wilhelm Lüke (damals 63 Jahre) verzichtete in der Ratsversammlung »nicht freiwillig, sondern auf Wunsch meiner Partei« auf sein Amt. Friedhelm Spieker, Stadtdirektor in Brakel, sollte an seine Stelle treten und für die »Urwahl« ein Jahr später (Bürgermeister und Stadtdirektor in einer Person) »Amtsbonus« erhalten. Ich schrieb am Tag dieser Sitzung vor sechs Jahren: »Die CDU kann das Fell, in diesem Fall die goldene Bürgermeisterkette, erst dann weitergeben, wenn der Bär - also Wilhelm Lüke - auch erlegt worden ist«.
Der »Bär« wurde nicht erlegt. Vier CDU-Ratsmitglieder wollten, dass Lüke bis ins Jubiläumsjahr 1999 Bürgermeister blieb. Sein Fell konnte trotz entsprechender Vorbereitungen an diesem Abend im August 1998 nicht im Ratskeller »vertrunken« werden! Georg Vockel

Artikel vom 17.11.2004