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Großer Ansturm blieb aus

Nach der Maueröffnung besuchten 1989 303 DDR-Bürger Spenge

Von Julia Lüttmann (Text und Foto)
Spenge (SN). »Kurz entschlossen in Richtung Westen gefahren« titelten die SPENGER NACHRICHTEN am 13. November 1989. 15 Stunden hatte die Familie Lorenz im Trabant verbracht, um von Dessau nach Spenge zu kommen.

Sie gehörten zu den ersten DDR-Bürgern, die nach der Wende in Spenge empfangen wurden - auch von Sozialamtsleiter Reiner Tiemann und seinen Kollegen, die bis Weihnachten jedes Wochenende ihr Büro öffneten, um das Begrüßungsgeld auszuzahlen. »Unser Kassenleiter hat damals sogar Geld von seinem Sparbuch abgeholt«, erinnert er sich. »Weil wir mit einem solchen Ansturm gerechnet haben.«
Der allerdings blieb aus. Besonders groß war das Interesse lediglich am 13. November: An 40 Besucher wurden die 120 Mark - 100 von Bund und Land und 20 aus der Stadtkasse - ausgezahlt. Insgesamt nahmen bis Ende des Jahres 814 DDR-Bürger das Begrüßungsgeld in Anspruch, 303 davon ab dem 13. November. 1990 waren es nur noch 138. Zwei Jahre zuvor waren es 421 gewesen. Denn: »Begrüßungsgeld gab es schon vor der Wende«, stellt Tiemann klar: »Für Besucher aus der DDR und Osteuropa«. Rund 100 DDR-Bürger, Rentner, die in den Westen ausreisen durften, machten regelmäßig davon Gebrauch. »Für uns war das Auszahlen des Begrüßungsgeldes Alltagsgeschäft - mit dem Unterschied, dass wir auch am Wochenende gearbeitet haben.« Viel los war samstags und sonntags jedoch nicht - mit Ausnahme des ersten Wochenendes. Laut Zeitungsbericht in den SPENGER NACHRICHTEN holten damals bis Sonntag Mittag 14 Gäste ihr Begrüßungsgeld ab.
»Wir sind froh, dass wir unseren Gästen helfen können«, betonte Tiemann vor 15 Jahren. Er ist überzeugt, dass das Begrüßungsgeld notwendig war: »Sonst wären die Besucher Bittsteller ihrer Gastgeber gewesen.«

Artikel vom 13.11.2004