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Täter suchte seit Jahren nach Opfer

Kannibale aus Rahden gesteht

Von Christian Althoff
Rahden (WB). Es grenzt an ein Wunder, dass nicht schon eher etwas Furchtbares passiert ist: Der Maler Ralf M. (41) aus Rahden, der im Oktober in Berlin seinen homosexuellen Freund zerstückelt hatte, hegt bereits seit 15 Jahren Kannibalismus-Phantasien. Das berichtete am Wochenende sein Rechtsanwalt Dr. Detlev Binder aus Bielefeld.
Maler Ralf M. sitzt wegen Mordes in U-Haft.
Anwalt Dr. Detlev Binder führte lange Gespräche.

»Mein Mandant lebte in einer Phantasiewelt, in die er sich immer weiter hineingesteigert hat. Zuletzt konnte er seine Traumvorstellungen nicht mehr klar von der Realität abgrenzen«, sagte der Strafverteidiger, der zahlreiche, lange Gespräche mit Ralf M. in der Untersuchungshaftanstalt Berlin-Moabit geführt hat. Binder geht davon aus, dass ein Sachverständiger dem mutmaßlichen Mörder aus Rahden verminderte Schuldfähigkeit attestieren wird.
Dass Ralf M. seine jahrelangen Phantasien am 4. Oktober in die Tat umgesetzt hat, führt der Beschuldigte auf den Fall Armin Meiwes zurück. Meiwes hatte im März 2001 im hessischen Rotenburg einen Ingenieur aus Berlin mit dessen Einwilligung getötet und zum Teil gegessen. Dafür war er vom Landgericht Kassel wegen Totschlags zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt worden. »Der Fall Meiwes hatte meinem Mandanten klargemacht, dass es noch andere Menschen mit Kannibalismus-Phantasien gibt, und dass es nicht bei Phantasien bleiben muss«, sagte sein Strafverteidiger.
Im Internet hatte Ralf M. deshalb immer wieder nach freiwilligen Opfern gesucht, aber keines gefunden. Deshalb sollte die Tat schließlich ohne Einverständnis des Opfers geschehen.
Gegenüber der Mordkommission hat Ralf M. die Tat auf 15 Seiten geschildert. Er hat ausgesagt, dass er die Tatwaffe, einen Schraubenzieher, bereits seit einiger Zeit neben der Matratze seines Bettes in seiner Berliner Wohnung versteckt hatte. Bei den ersten beiden Treffen mit seinem Freund Joe R. (33), einem Musiklehrer der Waldorfschule, habe er sich noch in der Gewalt gehabt, sagte der Tatverdächtige. Beim dritten Mal habe er dann zugestochen - fünf Mal in die Brust. Das Opfer habe noch geröchelt: »Schnell, bring mich ins Krankenhaus!«, doch er habe weitergemacht, bis Joe R. tot gewesen sei, gab Ralf M. zu Protokoll. Der Versuch, den Toten auf eine selbstgebaute Schlachtbank zu hieven, sei am Gewicht des Opfers gescheitert. Deshalb habe er den Musiklehrer im Bettkasten verstümmelt.
Teile des Toten habe er mit Salz eingepökelt und in einer Plastiktüte in den Kühlschrank gelegt, wo sie von der Mordkommission neben einem Glas Marmelade und einer angebrochenen Dose Katzenfutter gefunden worden war. »Ich habe den Kühlschrank auf höchste Stufe gestellt, weil ich keine Gefriertruhe hatte«, heißt es in dem Geständnis. Ralf M. hat außerdem zugegeben, Teile des Toten an seine beiden Katzen verfüttert zu haben. Anwalt Binder: »Wenn man erlebt, mit welcher emotionalen Teilnahmslosigkeit mein Mandant sein Vorgehen schildert, drängt sich der Eindruck auf, dass ihm die Tragweite seines Tuns bis heute nicht richtig bewusst ist.«

Artikel vom 15.11.2004