13.11.2004 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Warburger Friedhöfe bieten Kleinode der Kunst

Sieben namhafte Maler, Bildhauer und Zeichner sind auch in ihrer Heimatstadt begraben worden

Von Jürgen Vahle (Text und Fotos)
Warburg (WB). Gleich vier stille Tage prägen diesen Monat November. Allerheiligen, Allerseelen, der Volkstrauertag und der Totensonntag. Ein Besuch auf den Friedhöfen lohnt allerdings auch zu anderen Jahreszeiten. Denn abgeschieden von der Hektik des Alltags kann man beispielsweise auf dem Warburger Burgfriedhof die Schönheit und die Idylle des Ortes auf sich wirken lassen. Dort und auf dem Altstadtfriedhof sollte man auch den Gräbern der großen Warburger Künstler einen Besuch abstatten.

Nur wenige Meter vom Eingang entfernt fällt auf dem Altstadtfriedhof das Kreuz auf einem Grab auf.
Theo Hartmann
Es ist die letzte Ruhestätte von Theodor Hartmann. Der Zeichner und Maler lebte von 1873 bis 1902. Der Altstädter war Sohn des Kunstschlossers Theodor Hartmann und auch mit dem bekannten Warburger Kupferstecher Joseph Kohlschein verwandt. Nach seiner künstlerischen Ausbildung in Düsseldorf malte und zeichnete er, geprägt von der Romantik und dem Naturalismus, Portraits, Naturskizzen, aber auch zahlreiche Motive aus seiner Heimatstadt. Er starb 1902 im Alter von 29 Jahren an einer Lungenentzündung. Die Krankheit soll er sich beim Malen in der freien Natur zugezogen haben. Sein Grab wird heute von der Stadt Warburg gepflegt. Das Eisenkreuz auf seiner letzten Ruhestätte steht unter Denkmalschutz und soll bald restauriert werden.
Hans Kohlschein
Nur wenige Meter weiter ein interessanter Anblick: Der Schlot der Warburger Zuckerfabrik dampft, während sich im Vordergrund friedlich das Efeu um das Grab von Hans Kohlschein rangt. Der 1878 geborene Warburger Künstler war der älteste Sohn des bekannten Kupferstechers Professor Joseph Kohlschein. Er wurde bereits mit 14 Jahren auf der Kunstakademie in Düsseldorf aufgenommen. Er wurde vor allem durch seine Fresken bekannt, arbeitete aber auch als Maler (zum Beispiel im Ersten Weltkrieg). 300 Skizzen brachte er von den Schlachten im Westen und in Polen mit, in denen er die Schrecken des Krieges darstellte. 1917 wurde er zum Professor ernannt. Als sein Wohnhaus in Düsseldorf, in dem sich zahlreiche Kunstschätze befanden, bei einem Bombenangriff 1943 zerstört wurde, zog er - von diesem Ereignis tief getroffen - mit seiner Familie zurück nach Warburg, wo er 1948 starb. Neben ihm fand auch seine geliebte Frau Ella ihre letzte Ruhestätte.
Heinrich Holtgreve
In einem Familiengrab, das sich ebenfalls auf dem Altstädter Friedhof befindet, ist auch Heinrich Holtgreve begraben. Seine letzte Ruhestädte kennzeichnet - ganz im Stil der übrigen Familiengräber - eine schlichte Grabplatte. Holtgreve war das jüngste von acht Kindern des Buchbinders Heinrich Holtgreve sen. Nach einer Lehre im elterlichen Betrieb studierte er von 1936 bis 1939 Gebrauchsgrafik an der Folkwangschule in Essen und studierte anschließend Kunst in Berlin. Nach seiner Heirat kehrte er 1945 nach Warburg zurück und arbeitete als freischaffender Künstler und Grafiker. Er gestaltete Anzeigen, Urkunden, Schriften und Plakate (unter anderem für die Oktoberwoche). Später war er als äußerst humorvoller Kunsterzieher in Warburg, Borgentreich und Niedermarsberg tätig.
Josef Sauerland
Der 1991 verstorbene große Warburger Künstler Josef Sauerland fand ebenfalls auf dem Altstadtfriedhof seine letzte Ruhestätte - unweit von seinem Elternhaus entfernt. Der Sohn des Bildhauers Christian Sauerland (geboren 1922) absolvierte nach der Schule zunächst eine Malerlehre, besuchte aber anschließend als 16-Jähriger die Folkwangschule in Essen. Im Zweiten Weltkrieg wurde er 1944 schwer verwundet. Nach dem Krieg schloss der Warburger sein Studium an der Hamburger Kunstakademie ab und arbeitete als freier Künstler in Warburg. Vor allem war er als Bildhauer tätig. Er schuf aber auch eine ganze Reihe hervorragender Portraits und Warburger Stadtansichten. Als Bildhauer war er für die öffentliche Hand, für Schulen, Kindergärten und Banken tätig. Nach dem 60. Lebensjahr widmete er sich mehr der Malerei und prägte einen für ihn typischen Stil. Sauerland reduzierte zum Beispiel Landschaften auf ihren Kern.
Drei große Warburger Künstler sind auf dem Burgfriedhof in der Neustadt bestattet: Jenny Kork, Gottfried Beyer und Lorenz Humburg. Auch ihre Gräber liegen idyllisch eingebettet in dem malerischen Gottesacker. Die letzten Ruhestätten von Jenny Kork und Gottfried Beyer werden vom Warburger Museumsverein gepflegt.
Gottfried Beyer
Gesäumt von rotem Heidekraut präsentiert sich derzeit auf dem Burgfriedhof das Grab von Gottfried Beyer. Der 1889 geborene Stifter des Museums im »Stern« war gebürtiger Coesfelder. Dort verbrachte er auch den größten Teil seiner Jugend. Nach dem Kunststudium in Münster und Kassel wurde er Zeichenlehrer. Seine erste Arbeitsstelle fand er in Hannover. Von dort aus wechselte er nach Solingen. 1920 übernahm er die Stelle des Zeichenlehrers am Gymnasium Marianum und gab schließlich auch an der Höheren Mädchenschule der Stadt Zeichenstunden. Neben seiner beruflichen Tätigkeit schuf er zahlreiche Werke. Er galt als Freiluftmaler und malte neben Portraits und Stilleben zahlreiche Motive aus Münster, dem Münsterland und natürlich aus seiner zur Heimat gewordenen Stadt Warburg. Einige seiner Werke wurden nach Amerika verkauft. Dort wurde ihm auch der Titel des Professors verliehen. Nach einer schweren Krankheit musste er 1936 seinen Lehrerberuf aufgeben. Von da an widmete er sich fast ausschließlich der Malerei. Gottfried Beyer starb 1968 und überließ der Stadt Warburg sein Haus am Bittkreuz auf der Hüffert sowie einen beachtlichen Bestand an Kunstwerken.
Lorenz Humburg
Einer der originellsten Grabsteine auf dem Burgfriedhof steht auf dem Grab von Lorenz Humburg. Der 1906 geborene Herner absolvierte nach dem Abitur zunächst ein Studium der Kunstgeschichte in Münster und wurde anschließend Student der Kasseler Kunstakademie. 1932 wechselte er zur Berliner Kunstakademie. Seine Bilder wurden 1934 in Berlin in einer Reihe mit Werken von so namhaften Künstlern wie Emil Nolde und Erich Heckel gezeigt. In frühen Jahren zeichnete er sich vor allem durch seine Aquarelle mit Landschaften aus. Nach Abschluss seines Studiums 1935 unterrichtete er als Kunsterzieher in Dortmund und Gelsenkirchen. Nach seinem Dienst als Soldat im Zweiten Weltkrieg geriet er in englische Gefangenschaft. Im Lager Rheinwiesen lernte er den Warburger Künstler Edmund Anton Kohlschein kennen. Beide fertigten auf Resten von grobem Papier Blei-stiftzeichnungen an, die ein erschütterndes Zeugnis des Lagerlebens sind.
1948 wurde Humburg - vielleicht auch wegen seiner Freundschaft zu Kohlschein - in Warburg heimisch. In seinen Arbeiten - auch den Bilder mit Motiven aus seiner neuen Heimatstadt - ab-strahierte er Formen und Linien auf das Wesentliche. Er nutzte Farben von starker Leuchtkraft. Humburg starb 1994. Sein Grabstein zeigt christliche Symbole des Jahreslaufs, die auch einst auf seinem Wohnhaus am Marienweg zu sehen waren.
Jenny Kork
Die aus Borgentreich stammende Jenny Kork wurde 1872 unter ihrem Mädchennamen Jenny Geissel geboren. Ihre Begabung wurde während ihrer Zeit auf einem Internat in Lüttich entdeckt und gefördert. Später studierte sie in München und Paris Kunst. Sie avancierte zu einer der bedeutendsten impressionistischen Malerinnen. Sie blieb trotz ihrer vielen Reisen fest mit Warburg verwurzelt. 1910 heiratete sie Adolf Kork, der als Professor am Warburger Gymnasium unterrichtete. An ihrer künstlerischen Tätigkeit änderte die Heirat nichts. Sie zeichnete und malte vor allem Motive aus Warburg und Umgebung. Die Portraits, die sie zu Beginn ihrer künstlerischen Laufbahn bevorzugt schuf, traten in den Hintergrund. Jenny Kork starb 1951. Sie fand ihre letzte Ruhestätte neben ihrem Mann.
Ein Gang über die Friedhöfe des Warburger Landes muss in diesen Tagen also nicht nur ein »Pflichtbesuch« sein. Hinter jedem Stein befindet sich ein Schicksal, eine Lebensgeschichte - ein Mensch.

Artikel vom 13.11.2004