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Streifzug durch die
bunte Jazz-Welt

Festival mit sehr unterschiedlichen Stilrichtungen

Von Hartmut Horstmann
Kreis Herford (HK). Ulrike Kruse kennt die Diskussion um die Grenzen des Jazz. Bei jedem Festival gebe es im Publikum unterschiedliche Meinungen, sagt die Expertin, die beim Kreis Herford zu den Verantwortlichen des Jazz-Festivals zählt. Auch in diesem Jahr waren die Zuhörer-Ansichten durchmischt - für Kruse ein Indiz dafür, dass es gelungen ist, ein abwechslungsreiches Festival auf die Beine zu stellen.

Nach dem Auftakt mit der Jazzkantine in Herford folgte die Kulturfabrik in Vlotho als Veranstaltungsort. Sechs Bands gaben sich in der Weserstadt bis gestern Mittag die Ehre - wobei vor allem zwei Auftritte die verschiedenen Enden des Jazz-Spektrums markieren: Mezzoforte mit ihrem 80er Jahre-Hit »Garden Party« und das Sidsel Endresen Trio mit den ungewöhnlichen Stimm-Experimenten der Sängerin.
Rein zahlenmäßig haben Mezzoforte die Nase vorn: Ohne Probleme verkauften sie nach ihrem Auftritt 30 Exemplare ihrer CD »Forward Motion«. Ein Spitzenwert, dem eine andere Zahl gegenübergestellt werden kann: Bis zu 70 Zuhörer sollen den Saal der Kulturfabrik während des Auftritts von Sidsel Endresen verlassen haben. »Manche haben gefragt, ob das noch Jazz ist«, sagt Kruse. Kunstvoll bricht und dehnt die norwegische Sängerin die Worte, das zu Gehör Gebrachte erinnert an das Knistern einer Schallplatte. Wenig passiert, aber das Wenige entwickelt sich konsequent. Im ersten Lied wirkt die Sängerin wie eine trauernde Wölfin, die den Mond anheult - immer heftiger, hochkonzentriert.
Bei einem derart intensiven Auftritt ist nicht entscheidend, wie viele Zuhörer gegangen sind, sondern: Diejenigen, die geblieben sind, haben sich bewusst in den Bann dieser ungewöhnlichen Musik ziehen lassen. Mutige Musikerinnen wie Sidsel Endresen gehören dazu, wenn es darum geht, einem Festival Profil zu verleihen. Wer Ecken, Kanten und Irritationen meidet, läuft schnell Gefahr im leichten Jazz-Brei zu versanden. Die Veranstalter des 13. Jazz-Festivals Herford/Vlotho haben bei der Auswahl der Bands ein glückliches Händchen bewiesen.
Im zugänglichen Jazz-Pop-Bereich beheimatet sind Mezzoforte, die den 80er Jahre Sound ihrer Jugend mühelos ins Mannesalter gerettet haben. Die Musiker, die nach wie zur »Garden Party« laden, sind auf der Bühne noch immer die »netten Jungs von nebenan«. Mit einem sympathischen Lächeln auf den Lippen begleiten sie das Gitarrensolo von Staffan William-Olsson. Den Auftakt in Vlotho machten die Akteure vom World Quintett, die sich - musikalisch hochkarätig - den großen Themen dieser Welt wie »Ehe« und »Vergebung« widmete. Mit außerordentlichen Tempo- und Stimmungswechseln verblüffte das Trio Töykeät, welches das künstlerisch breite Spektrum des Festivals auf einen Auftritt komprimierte - von melodischen Pianoklängen bis Brachialjazz.
In anderen Gefilden tummelten sich die »Slampampers« und das »United Women's Orchestra«. Erstere gefielen mit Slaptstick und Humor, letztere sorgten mit zeitgemäßem BigBand-Sound für einen stilvollen Ausklang.

Artikel vom 15.11.2004