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Stahler retten
Frau in Ukraine
das Leben

Geld für OP gesammelt - Hilfstransporte

Von Michael Robrecht
Stahle (WB). Bürger aus Stahle haben der 50-jährigen Hanna Stetsyshyn aus der Ukraine durch eine spontane Hilfsaktion das Leben gerettet. Wenn es Dechant Franz Humpert und seiner Haushälterin Hedwig Mäussen nicht gelungen wäre innerhalb von einer Woche 5000 Euro für die dringend notwendige Operation der Mutter von zwei Kindern zu sammeln, dann würde die Frau heute nicht mehr leben.

»Ich bin allen so dankbar«, umarmt die sympathische Ukrainerin aus der Nähe von Lemberg (heute Lwiv) voller Herzlichkeit Hedwig Mäussen, als sie im Stahler Pfarrhaus von ihrem zweiten Leben erzählt. Seit einer Woche erholt sich Hanna Stetsyshyn im Haus des Dechanten von einem turbulenten Jahr. Inzwischen geht es ihr wieder richtig gut.
Dass die 50-Jährige überhaupt Kontakt in das Weserdorf bekommen hat, ist einem Zufall zu verdanken. Hedwig Mäussen organisiert regelmäßig Hilfstransporte in die Ukraine. Zusammen mit der Caritas Chemnitz, mit der sie seit Jahren Kontakte pflegt, hat Frau Mäussen auch im Mai Hilfsgüter in die Region Lemberg gebracht. Auf der 1600-Kilometer-Tour fällt der rührigen Haushälterin die bedrückte Stimmung im Lkw-Cockpit auf. »Eigentlich wollten wir nicht nur Mäntel und Schuhe mitbringen, sondern auch auch 5000 Euro für die OP einer lebensbedrohlich erkrankten Frau. Das Geld haben wir leider nicht auftreiben können«, bedauert der Chemnitzer Caritashelfer Wolfgang Kahl mit gesenktem Haupt.
Hedwig Mäussen lässt die Geschichte tagelang nicht los. Wieder daheim in Stahle, setzt sie alle Hebel in Bewegung. Sie geht an ihr Gespartes, Dechant Humpert spricht Amtsbrüder und Gläubige an, die Pfarrcaritas springt den beiden aktiv zur Seite. »Vom Echo auf unseren Sammelaufruf waren wir überwältig. Nach einer Woche hatten wir die 5000 Euro zusammen. Es ist doch das schlimmste, wenn man bei einem Schwerkranken erst Hoffnungen weckt und diese dann nicht erfüllt werden können«, sagt Frau Mäussen und Patientin Hannah schaut sie in ihrem Sessel an, als habe sie diesen deutschen Satz ganz genau verstanden.
Hanna Stetsyshyn wird operiert, eine neue Herzklappe ermöglicht der zuletzt immer schwächer werdenden Frau aus dem Dorf Wolschtscha bei Lemberg eine zweite Chance: »In der Ukraine gibt es keine Krankenversicherung. Ich musste die OP mit 5000 Euro selbst bezahlen.« Um die Liegezeit in der Klinik (elf Betten auf einem Zimmer) finanzieren zu können, habe die Familie drei Kühe verkauft, berichtet die Ukrainerin, deren Mann auf einer Kolchose arbeitet. Hedwig Mäussen hatte der 50-Jährigen versprochen, dass sie zu einer kleinen Reha-Kur ins Stahler Pfarrhaus kommen könne, wenn sie sich von den Strapazen der OP erholt habe. Hanna Stetsyshyn und die Übersetzerin Irina Serednytska (50), die bei der Verteilung der Hilfsgüter in Lemberg immer dabei ist, haben die Einladung sofort mit Freude angenommen.
»Es ist herrlich hier in Stahle. Die Straßen sind alle so sauber, die Häuser so schön und die Menschen so freundlich«, schwärmt Hanna Stetsyshyn mit leuchtenden Augen. Bilder von ihrem kleinen Enkel Ivan hat sie mitgebracht. Hedwig Mäussen sei wie eine Mutter für sie, sagt sie gerührt. »Dass wir das mit den 5000 Euro hinbekommen haben, das ist echte Caritas«, unterstreicht Dechant Humpert, dem ein Stahler angeboten hat, der Patientin die Weserregion zu zeigen. Hanna schwärmt vom Paderborner Dom. Und auch die Stahler Kirche liebt sie. Jeden Tag hilft die religiöse Frau beim Vorbereiten der Messe. »Wir haben sie ins Herz geschlossen«, sagen Hedwig Mäussen und Franz Humpert.
Seit Frau Mäussen ihre Stelle als Haushälterin beim Dechanten 2003 angetreten hat, organisiert sie in Stahle Hilfsgütersammlungen für arme Menschen. Drei Transporte mit mehreren Lkw hat sie bereits auf die Reise in den Osten geschickt, der vierte wird in den kommenden Wochen zusammengestellt. Frau Mäussen braucht dafür Wäsche, Schuhe, Wintermäntel, Jacken, Handtücher und diesmal besonders Kommunionkinderkleidung. Dringend benötigt werden auch Pampers-Windeln. Wer spenden möchte, kann unter dem Stichwort »Ukraine-Hilfe«, Dechant Franz Humpert, Stahle, Konto 15512338, BLZ 47251550 Sparkasse Höxter, Geld überweisen. Infos: Tel 05531-3689.

Artikel vom 13.11.2004