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St. Martins süße Brötchen

Hagelzuckergebäck in Bad Lippspringe: eine einmalige Volkstradition

Von Bernhard Liedmann
(Text und Foto)
Bad Lippspringe (WV). Besonders süß, etwas größer und mit viel Hagelzucker drauf ist die Besonderheit des Gebäcks, das im Kreis Paderborn einmalig ist: Das Martinsbrötchen, das beim Martinszug in der Badestadt an die Kinder verteilt wird. Das Brötchen mit einer besonderen Geschichte.

Dieses besonders süße Milchbrötchen ist in der Stadt inzwischen zu einer Volkstradition geworden und gehört einfach zum Martinszug dazu, der etwa seit 30 Jahren stattfindet. Wo genau die Ursprünge liegen und wer das Martinsbrötchen »erfunden« hat, weiß heute keiner mehr genau. Bäckermeister Christoph Jandt (39) hat jedenfalls die Tradition von Bäckermeister Günther Bauer übernommen, die Brötchen für die Kirchengemeinde St. Martin zu backen, die dann kostenlos an die Kinder abgegeben werden. Er machte dies schon 20 Jahre und bereits dessen Vorgänger praktizierte es.
Wenn am kommenden Sonntag der große Martinszug in Bad Lippspringe stattfindet, werden zum Abschluss 700 dieser Brötchen kostenlos auf dem Rathausplatz an die Kinder verteilt. Bei Bäckermeister Jandt bedeutet es in diesen Tagen Hochkonjunktur in der Backstube. Neben den knapp 500 Brötchen (insgesamt 17 Sorten) muss er 2000 Martinsbrötchen backen. 1000 gehen zum Selbstkostenpreis an die Kindergärten der Stadt, 700 gibt es für den Umzug und 300 spendet er selbst für die Messe, in der symbolisch jeweils zwei kleine aneinandergebackene Brötchen von zwei Kindern vor dem Altar gebrochen und geteilt werden. Auch für den Krabbelgottesdienst backen die Mütter die Martinsbrötchen.
Der Martinszug, der am kommenden Sonntag um 17.15 Uhr im Arminiuspark mit dem Martinsspiel beginnt, hat in Bad Lippspringe in den vergangenen Jahren eine regelrechte Renaissance erlebt. Anfänglich gab es nur einen Zug rund um die Kirche, in den 70-er Jahren wurde anschließend das Martinsspiel auf dem Marktplatz gefeiert. Doch die Teilnehmerzahl sank, bis der Pfarrgemeinderat vor drei Jahren beschloss, den Zug nicht mehr am Martinstag, sondern am darauf folgenden Sonntag mit dem Startpunkt im Park zu feiern. Die zunehmende Zahl der Teilnehmer lässt sich an den gebackenen Brötchen ablesen: Die 600 Brötchen im vergangenen Jahr waren schon knapp, jetzt werden 700 aufgelegt. Bereits im fünften Jahr sattelt dann Josef Thöne (39) sein Pferd, um sich im römischen Reitergewand an die Spitze zu setzten. Auch bei ihm ist der Terminkalender in diesen Tagen eng. So spielt er den Heiligen Martin nicht nur beim großen Umzug sondern auch für die Kinder in der Klinik und im Kindergarten. Volles Vertrauen hat er dabei zu seinem Pferd, das bislang immer die Ruhe bewahrt hat. Es ist schließlich »schützenfesttauglich«.
Das Martinsbrötchen als Zeichen der Opfergabe und des Teilens entstammt wohl aus dem Urchristenturm und kann sich auch auf die Geschichte des Heiligen Nikolaus berufen, der das Getreide mit Anderen teilte. Der Martinszug am Sonntag, 14. November, beginnt um 17.15 Uhr im Arminiuspark mit einer musikalischen Einstimmung durch die Musikkapelle der Feuerwehr. 17.30 Uhr startet das Martinsspiel, danach geht es im Zug zum Rathausplatz Hier spielt die Musikkapelle und der Jugendchor »Jungbrunnen« singt Martinslieder.

Artikel vom 12.11.2004