11.11.2004 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Zuwenig Möglichkeiten im
Kampf gegen die Islamisten

Staatsschutz-Polizist Buchalla schildert die Praxisprobleme

Werther (SKü). Wird auf die seit dem 11. September und Madrid wachsenden Gefahren durch den islamischen Extremismus und Terrorismus hierzulande angemessen reagiert? Stehen dem Staat und der Polizei die notwendigen Mittel zur Gefahrenabwehr zur Verfügung? Nach dem interessanten und hochspannenden Vortrag von Staatsschutz-Kommissariatsleiter Ulrich Buchalla am Dienstag müssen diese Fragen eher mit Nein beantwortet werden.

Buchalla sprach auf Einladung der Kolpingfamilie im überfüllten katholischen Pfarrheim. Der CDU-Fraktionschef, der als Erster Kriminalhauptkommissar in Bielefeld ein großes Staatsschutz-Kommissariat mit 15 Mitarbeitern leitet, zeigte sich kenntnisreich und schlug einen weiten Bogen, um Hintergründe von islamischen Extremismus und Terrorismus aufzuhellen. Sein Kommissariat ist für diesen Aufgabenbereich im Regierungsbezirk zuständig.
Buchalla machte deutlich, dass die zu Gewalttaten bereite Islamisten unter den rund drei Millionen Muslimen in Deutschland nur einen Bruchteil ausmachen. Das müsse bei allen Diskussionen immer mit bedacht werden. Doch umso sorgfältiger sollen die Randgruppen im Blick behalten werden. In NRW werden die Islamisten im extremistischen Spektrum auf 8 500 Personen geschätzt. Von den etwa 220 Moscheen in ganz OWL hat das Staatsschutz-Kommissariat etwa 25 unter näherer Beobachtung.
Beispielhaft an der in diesem Bundesland mit rund 7 500 Mitgliedern relativ stark vertretenen »Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs« (IGMG) verdeutlichte Buchalla, wie schwierig es für die Polizei ist, aus einer Gruppe, die »auf der Kippe steht«, Informationen zu gewinnen. Der Staatsschutz versuchte es kürzlich mit einem betont sachlich gehaltenen Flugblatt, mit dem auch IGMG-Mitglieder um Mithilfe bei der Aufdeckung extremistischer Aktivitäten gebeten wurden. Die Antwort war deutlich. Die streng geführte Organisation untersagte ihren Mitgliedern Auskünfte. Wenn die Polizei Fragen hätte, sollte sie diese schriftlich an die Rechtsabteilung der Zentrale in Kerpen bei Köln stellen. »Milli Görüs« hat auch eine »Filiale« mit etwa 30 Personen an der B 68 in Steinhagen. Welch Geistes Kind die IGMG ist, verdeutlicht ein Flugblatt, aus dem Buchalla zitierte: »Wie können sie nur so arrogant und verschroben sein, an Gottes Sohn zu glauben. Wir haben die Macht sie zu bekämpfen. Wir werden die Mehrheit in 20 Jahren haben und dieses Land im Sinne des Islam regieren.«
Buchalla verdeutlichte an mehreren Beispielen, warum er die in Deutschland vorherrschende Gesetzeslage nicht für ausreichend hält, um polizeilich effektiv gegen islamische Extremisten vorgehen zu können. So konnten zwei als gefährlich geltende Extremisten aus dem hiesigen Raum nicht festgesetzt werden, weil die Justiz die Beweise als nicht ausreichend ansah. Als die Männer den Fehler machten, über Frankreich auszureisen, wurden sie dort sofort verhaftet. »Bei gleicher Beweislage«, wie Buchalla betonte.
Er plädierte nachdrücklich dafür, die Gesetzeslage jetzt unter vernünftigen Bedingungen so zu ändern, was im Sinne der Sicherheit der Bevölkerung nötig sei. Dies müsse geschehen, bevor nach einem Anschlag Panik ausbreche.

Artikel vom 11.11.2004