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Nur Verwandlung täuscht die Boten des Todes

Professor Eugen Drewermann referierte in Brakel über Märchen


Von Frank Spiegel
Brakel (WB). »Alles Leben muss sterben, wir sind dazu verdammt, mit dem Tod leben zu müssen« -Êdie unerfüllbare Sehnsucht des Menschen, nicht sterben zu müssen thematisierte Professor Eugen Drewermann zu Beginn seines Vortrages vorgestern Abend in der Aula des Petrus-Legge-Gymnasiums. Anhand der Märchen »Der Gevatter Tod« und »Fundevogel« trat er anschließend dem Thema »Tod« näher, sparte aber auch nicht mit Gedanken zum Leben. Die Aula des PLG war restlos ausverkauft. Mit einer so großen Resonanz hätte die Hospizgruppe Brakel, die die Veranstaltung im Rahmen der dritten Hospiztage organisiert hatte, nicht gerechnet.
Drewermann deutete beide Märchen tiefenpsychologisch. In »Der Gevatter Tod« sieht der Kirchenkritiker gleich am Anfang heftigste Religionskritik. Die Geschichte des armen Vaters, der wegen ihrer Ungerechtigkeiten den »lieben Gott« als Paten für sein neugeborenes Kind ebenso ablehne wie den Teufel und schließlich nur den Tod als Paten akzeptiere, gehöre zu den revolutionärsten Erzählungen, die in Deutschland je entstanden seien. Auch die Rolle des Arztes -Êdas Patenkind des Todes ergreift in dem Märchen diesen Beruf -Êbetrachtet Drewermann kritisch. »Der Arzt kann das Leben nur verlängern, wenn der Tod mitspielt«, deutete er einen Teil der Geschichte.
In der Deutung des Märchens »Fundevogel« geht der Psychotherapeut auf den Umgang des Menschen mit Tod und Leben ein. Verstand und Gefühl nahmen bei Drewermanns Ausführungen einen breiten Raum ein. »Die größten Verbrechen geschehen, weil Verstand ohne jedes Gefühl genutzt wird«, sagte der Redner. Er bezog sich auch auf aktuelle Ereignisse und mutmaßte, wie die Amerikaner ihr Handeln im Irak rechtfertigen: »ÝWir müssen Falludscha befreien, darum müssen wir es zerstörenÜ -Êso etwas kann man nur zustande bringen, wenn man kein Gefühl hat.« Alles Spalten zwischen Denken und Fühlen sei der Tod. Auch den Jugendwahn kritisierte der Psychotherapeut. Den Boten des Todes könne man nur durch Verwandlung entkommen, an einer Lebensphase festzuhalten sei daher grundverkehrt.
Die 400 Zuhörerinnen und Zuhörer in der Aula lauschten gebannt. Mit lang anhaltendem Applaus dankten sie dem Referenten.

Artikel vom 10.11.2004