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Wenn die Kuh das Fotomodel stört . . .

Antje Egbert zeigt wunderschöne Schwarz-Weiß-Bilder im »Heuhotel« Grummert


Von Dieter Wehbrink
Niedermehnen (WB). Es ist ein Vorurteil, das nicht nur von Hobbyfotografen gepflegt wird: Im Zeitalter digitaler Kameras ist das bunte Bild gefragt - farbenfroh und von jedem Laien ohne Probleme aufzunehmen. Dass aber die »gute alte« Schwarz-Weiß-Fotografie alles andere als verstaubt ist, weil sie ungeahnte künstlerische Möglichkeiten bietet, beweist die eindrucksvolle Ausstellung der freien Fotografin Antje Egbert im Niedermehner Heuhotel der Familie Grummert. Noch bis zum 9. Dezember sind dort die Werke der Hamburgerin zu sehen, die als geborene Hölscher lange in Stemwede lebte.
Der Besucher verweilt zum Teil lange vor den Werken der gelernten Fotografin, deren Mischung an Motiven »trotz fehlender Farbe« durchaus vielseitig ist. Wer den Raum betritt, stößt gleich rechts an der Ausstellungswand auf Sylt-Bilder aus dem Sommer 2004. Sie zeigen ein »Strandgeflüster« zweier Models - bildschön, mit modischem Outfit, Frisuren und Make-Up. Dieses Bild könnte auch Titelfoto eines Modemagazins sein.
Der Betrachter sieht unter den vielen gezeigten Werken auch Fotos vom Stefansdom in Prag oder von einem Friedhof, der - im Gegenlicht fotografiert - noch düsterer wirkt. Porträts, eine echte Spezialität von Antje Egbert, zeigen beispielsweise eine junge Dame, bei der die Blendentechnik die Augen und die Nase besonders scharf dargestellt hat während die Wangen geradezu weich gezeichnet wirken.
Zum besonders langen Betrachten laden zwei Bilder ein, die eng im Zusammenhang stehen. Eine junge Dame präsentiert sich in einem Sessel sitzend, der von Antje Egbert auf einer Wiese postiert wurde. Daneben das (fast) gleiche, rein zufällig entstandene Motiv: Die Dame schaut nicht mehr in die Kamera, sondern mit leicht angespannter Miene nach unten rechts. Dort ist der Kopf einer Kuh zu sehen, die sich dem ungewohnten Gast auf ihrer Wiese neugierig nähert. Ebenfalls »ländlichen« Touch hat ein Foto, das eine typische ältere Bauersfrau beim Kartoffelschälen zeigt. Der »totale Kontrast« schaut ihr dabei über den Rücken: Eine junge Frau im modischen Abendkleid, deutlich sichtbar aus dem Großstadtleben kommend, passt absolut nicht ins Bild vom Landleben.
Antje Egbert ist Tochter der Leverner Heimatvereinsvorsitzenden Ingrid Hölscher. Die Mutter übernahm am vergangenen Sonntag die Begrüßung der zahlreichen. Gäste, die sich zur Vernissage im Heuhotel eingefunden hatten. Ingrid Hölscher übergab das Wort an Christian Hunt, einem guten Freund der Familie. Der Amerikaner, der fließend Deutsch spricht, ist Lektor an der Uni Bonn und gab Erläuterungen zu den Werken. »Diese Ausstellung schwarz-weißer Fotos ist repräsentativ für das ganze Spektrum von Antjes Arbeiten«, sagte Hunt. »Es steckt eine große technische Leistung, sehr viel Arbeit und Können dahinter. Es wird oft behauptet, dass die Fotografie eine objektive Kunstform ist, was oft dazu führt, dass man den Menschen hinter der Kamera vergisst. Antjes Fotos sind weniger objektiv, denn die weisen immer auf die Künstlerin hin und tragen sozusagen alle eine Signatur. Sie stellen einen Prozess des künstlerischen Schaffens dar.«

Artikel vom 10.11.2004