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Eine Lesung
mit Musik

Mozart im Wichernhaus

Herford/Bad Oeynhausen (sto). Die Faszination durch lebendig und live dargestellte Literatur ist - allen kulturpessimistischen Unkenrufen zum Trotz -ĂŠungebrochen. Nur so kann man sich den großen Zuspruch erklären, der den großen Saal des Wichernhauses am Freitagabend mit mehr als hundert Zuhörern füllte. Nun stand aber auch einer der ganz Großen der deutschen Literatur auf dem Programm der Aktuellen Runde, der schwäbische Theologe und Dichter Eduard Mörike.

Eine von Mörikes schönsten Erzählungen, »Mozart auf der Reise nach Prag«, hatte der Herforder Pfarrer Dr. Wolfgang-Peter Otto im Jahr des Gedenkens an den 200. Geburtstag des Autors für diesen Abend ausgewählt und präsentierte sie in Ausschnitten, nachdem er einiges Wissenswerte aus Mörikes Biographie vorangestellt hatte.
Da ist die Szene, in der Mozart bei einer Rast im mährischen Gebirge den prächtigen Wald rühmt, die Erinnerung des Komponisten unterm Pomeranzenbaum im gräflichen Schloss an eine beglückende und herzerfrischend geschilderte Szene auf einer seiner Reisen nach Italien. Diese Erinnerung gibt Mozart die Musik zu einem noch fehlenden Stück im »Don Giovanni« ein, die er dann auf der Stelle niederschreibt.
Es fehlt natürlich auch nicht das Gegenstück, die Imagination der Komposition des »Höllenbrandes«, der Begegnung mit dem steinernen Gast, der den Frevler zur Rechenschaft zieht, bevor er zur Hölle fährt. Und schließlich ist da auch die abgrundtiefe Trauer und Melancholie über die Vergänglichkeit alles irdisch Schönen, die in der Schilderung des Abschieds und in den wenigen Worten des Gedichts »Denk es, o Seele« gegenwärtig ist.
Die vielschichtige Persönlichkeit des Komponisten, die sich der Autor in der Dichtung selbst anverwandelt hatte, war zwischen den einzelnen Abschnitten der Lesung durch die Musik erfahrbar. Dorothea Orthband hatte aus dem Klavierschaffen Mozarts sehr passende Stücke ausgewählt: Mit dem Thema aus der A-Dur-Sonate KV 331 und der letzten der dazugehörenden Variationen war das klassische Ebenmaß ebenso präsent wie in der Sonate F-Dur KV 280. Die abgründige Seite Mozarts, dem »Höllenbrand« im Don Giovanni nicht unähnlich, kam in der d-Moll Fantasie KV 397 zum Ausdruck, deren monotone, von lastenden Akkorden getragene Deklamation schon auf den mystischen Geisterruf in der Friedhofsszene des »Don Giovanni« vorausweist.
l Wer diesen wunderbaren literarisch-musikalischen Abend verpasst hat, hat am Freitag, 12. November, um 19.30 Uhr eine zweite Chance im Herforder Ernst-Lohmeyer-Haus.

Artikel vom 09.11.2004