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Lauter Balladen mit Zündschnur

Franz Josef Degenhardt verbreitet milden Spott in der Druckerei

Von Wolfgang Döbber
(Text und Foto)
Wo Degenhardt draufsteht, ist Degenhardt drin. Liedermacher und Schriftsteller Franz-Josef Degenhardt wusste im Begegnungszentrum Druckerei seine Stärken auszuspielen. Mit mildem Spott und poetischen Balladen überzeugte er seine Fangemeinde, so dass er ohne drei Zugaben nicht nach Hause kam.

Rund 175 Zuhörer wollten das Konzert von Franz-Josef Degenhardt und seinem Sohn Kai genießen. Und das taten sie bis kurz nach 22 Uhr. Zeit spielte keine Rolle. Wer den 1931 geborenen Franz-Josef Degenhardt kennt und schätzt, der weiß, dass er die flüchtigen Zeiterscheinungen und hektischen Trende nie mochte und auch nie mögen wird. Degenhardt ruht mit seinen Liedern und Texten wie ein Fels in der Brandung im Kontext der europäischen Friedensbewegung und in der Tradition Bertolt Brechts.
So drehten Degenhardt und sein Sohn Kai mit lässiger und augenzwinkernder Note musikalisch ihre Runden: Sie feuerten mit mildem Spott ihre Spitzen gegen Kriegstreiber, Extremisten und soziale Ausbeuter. Vielfach war das Balladen-Auge auf die deutsche Vergangenheit, speziell die des Dritten Reiches gerichtet, so nahm Degenhardt seine Rolle als Protestsänger wahr.
»Dass Hitler nur auszuschalten war, mit Stalin, dem Halunken, das machtest du uns bald klar«, sang er zu Beginn. Da wurde der Teufel mit dem Belzebub ausgetrieben.
Wie immer begleitete Kai Degenhardt ihn als Gitarrist, setzte mit der Melodica Blues- und Reggae-Tupfer, um der Klarheit und Einfachheit des väterlichen Spiels entgegenzuwirken. Das klappte sehr gut, Degenhardt junior begleitet den Vater schließlich seit 1987 auf allen Konzerten.
Ebenso schön der eingangs gespielte Rap »So what!«, der mit bissigen Tönen von der Arbeitsmoral, der Kündigungskultur und dem eiskalten Umgangston in der heutigen Gesellschaft erzählte.
Mit der nächsten Ballade hatte Degenhardt dann fast alle Fans seiner Generation, und auch die jüngeren, erreicht. Gefühlvoll, auch hier mit mildem Spott, beschrieb er das Wiedersehen mit einer Freundin von einst. Nostalgische Töne mischen sich mit leichtem Unverständnis über die jetzige Distanziertheit, »doch am Ende haben wir uns dennoch umarmt«, sang Degenhardt mit leiser Stimme. Das kam an in der Druckerei.
Wie zeitlos er seine Lieder und Balladen versteht, macht er zwischendurch immer wieder deutlich. »Das Vergangene ist nicht tot, es ist nicht einmal vergangen«, mahnte er, und auch den Schritt zurück zur Pariser Kommune 1871 belohnte das Publikum mit einem langen Applaus. »Kirschenzeit, das Lied einer gescheiterten, aber nicht verlorenen Revolution«, spielte er mit großer Intensität. Die Zeit war ihm auch da egal.
»So, jetzt ist aber gut«, raunte er erst nach der dritten Zugabe, den »Schmuddelkindern«. Und das Liedermacher-Urgestein ging mit dem Sohn von der Bühne.

Artikel vom 08.11.2004