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Friedhofspolka und
ABBA aus dem Punjab

WDR-Liedernacht in der Paderhalle

Von Andrea Auffenberg
(Text und Foto)
Paderborn (WV). Wenn jemand ein Walzerlied über Paderborn, - »da, wo der Regen seine Heimat hat« - anstimmt, dem amüsierten Publikum dabei Refrains wie »tropf, tropf, tropf, tropf« zuweist, um anschließend mit kugelrunden Augen staunend festzustellen, der Text sitze ja gleich, kann das nur Erwin Grosche sein. Der Paderborner Kabarettist hatte am Freitagabend als Gastgeber zur 11. WDR-Liedernacht in die Paderhalle geladen und zwischen den Programmpunkten manch erheiternde Erkenntnisse über ISDN, Nudeln oder alte Erinnerungen parat.

Dabei leitete Grosche immer zu den einzelnen Künstlern über, die bei dieser Liedernacht ganz unterschiedliche Facetten aufwiesen:
Die vielseitige Kölner Sängerin, Songwriterin und Arrangeurin Anne Hartkamp gastierte das erste Mal in Paderborn und begann ihren Vortrag mit dem melancholischen, funkig-jazzigen Stück »Neue Zeit, brich auf«. Perfekt unterstützt durch Bernd Kaftan (piano, keyboard), André Nendza (bass) und Fritz Wittek (drums) kam ihre intensive, klare Stimme bei den dargebotenen Popsongs und Balladen wie »Ich will bei dir sein« vorteilhaft zur Geltung.
Einen deutlichen Umschwung brachten die drei Herren von »ABBA jetzt«. Formvollendet im Frack boten die Sänger und Schauspieler Tilo Nest und Hanno Friedrich zusammen mit dem Pianisten Alexander Paeffgen jenseits aller Abba-Revivals eine kurzweilige Show sowohl für »ABBA-Hasser« als auch für solche, die das Schweden-Quartett lieben. Dabei wurden Hits wie »Summernight city« mit Klängen der »Boomtown rats« (»I donĂ•t like mondays«) verschmolzen, »I have a dream« geriet zur deutschen Schlager-Schnulze und »Mamma Mia« mutierte zum heißblütig gesungenen und beklatschten Flamenco. Besonders der publikumswirksame indische Beitrag kam an: wer hat bisher schon ABBA-Hits als musikalischen Bhangra aus dem Punjab gehört? Mit tosendem Applaus wurde das Trio, das ohne eine Zugabe nicht davonkam, verabschiedet.
Der Aufforderung Erwin Grosches, nach den Polkaklängen der schwäbischen Gruppe »HISS« zu tanzen, kam das Publikum zwar nicht nach. Dennoch gingen die Melodien und Rhythmen der fünf Musiker um Sänger und Akkordeonist Stefan Hiss, die mit Gitarren, Mundharmonika und Schlagzeug böhmische Polkaklänge mit diversen Stilrichtungen koppelten, ins Blut über. So begegnete man mexikanischem Liedgut (»La Cantinera«), polnisch-jamaikanischer Auseinandersetzung zum Thema »Wurst« (»Who stole the Kishka«) bis hin zu einer endenden kolumbianischen Liebe (»Entre Comillas«) - alles verpackt in niveauvolle harmonische Klänge und intensiven Gesang. Besonders die »Friedhofspolka« entlockte dem Publikum tosenden Applaus. Die schwäbische Band überzeugte durch musikalische Vielfältigkeit auf hohem Niveau.
Der Mitschnitt dieses Abends wird am 12. Dezember von 20:05 bis 22 Uhr auf WDR 5 in der Sendung »Streng öffentlich« ausgestrahlt.

Artikel vom 08.11.2004