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Schokolade und Ordnung sind typisch deutsch

Vier Austauschschüler aus den USA und Bolivien lernen am Widukind-Gymnasium

Von Thomas Meyer (Text und Foto)
Spenge/Enger (SN). Die Präsidentschaftswahlen in den USA sind entschieden, George W. Bush hat gewonnen und etwa die Hälfte aller Amerikaner freut sich. Zu ihnen gehört auch Eileen O'Brien (17), die gerade für ein Jahr in Deutschland ist und die 12. Klasse des Widukind-Gymnasiums Enger (WGE) besucht.

»Offenbar konnte Bush während seiner Amtszeit viele Wähler überzeugen, die ihm zuvor skeptisch gegenüberstanden. Außerdem hat er eine zweite Chance verdient, um einige Dinge besser zu machen«, nimmt die Austauschschülerin selbstbewusst Stellung. Sie ist aber nicht der einzige Gast am WGE. Als Austauschschüler besuchen noch bis Ende Januar Daniela Monje, Sergio López und Victor Rodrigue (alle 16) aus Bolivien die elfte Klasse. In ihrer Heimat bereiten sie sich an der deutschen Schule in La Paz auf das deutsche Abitur vor, das international viel angesehener ist als das bolivianische. Damit hat Daniela viel vor: »Ich möchte Medizin studieren - am besten in Heidelberg, dort soll es schön sein und obendrein die beste Universität für Medizin geben. Dann möchte ich mich auf Herzkrankheiten spezialisieren.«
Nicht ganz so präzise formulieren Victor und Sergio ihre Zukunftsvorstellungen: Architekt und mechanischer Ingenieur steht auf dem Wunschzettel. »Am besten nach einem Studium in den Vereinigten Staaten. Oder in Spanien oder Chile«, plant Sergio. Eileen schnuppert bereits in ihrem angestrebten Beruf. »Ich arbeite in meiner Freizeit als Babysitterin.«
Später will sie Grundschullehrerin werden. Wenn möglich, möchte sie ihre Lieblingstiere in den Beruf einbeziehen. »Ich liebe Delfine. Sie werden ja bereits für Therapien bei bestimmten Krankheiten eingesetzt, und so etwas möchte ich auch machen: Kindern mit der Delfintherapie helfen.« In ihrer Freizeit schwimmt sie für das Team ihrer High School und die Mannschaft der Nachbarschaft. Sie spielt Oboe, Flöte und Piccoloflöte, letzteres in einer »Marching Band«, die bei Sportveranstaltungen die Teams mit anfeuert.
Bei den Bolivianern dreht sich alles um Fußball, auch Daniela lässt sich kein Spiel im Fernsehen entgehen. »Ansonsten schauen wir viele englische und deutsche Filme mit spanischen Untertiteln«, verrät Sergio. Für Eileen ist es besonders interessant, ihre Lieblingssendung »Die Nanny« mit Synchronstimme zu sehen. »Oft habe ich die Folge im Original schon zu Hause gesehen und kann von den Lippen genau ablesen, was die Nanny gerade sagt.«
Die Schüler wollen auskosten, was Deutschland zu bieten hat. Dazu gehört auch die deutsche Küche. Zwar sind die Teenager auch bei Brot und Berlinern auf den Geschmack gekommen, aber am besten schmeckt ihnen das deutsche Bier. So gutes Bier gebe es weder in Bolivien noch in den USA.
Eileen mag außerdem die Schokolade hier sehr gern. »Ein Hauptgrund, warum ich nach Deutschland wollte«, schmunzelt die Schülerin. Was den Bolivianern hier noch gefällt? »Die Ordnung«, findet Daniela. »Bei uns kann man ohne Führerschein Auto fahren, und wenn man von einem Polizisten angehalten wird, gibt man ihm etwas Geld. Aber das ist nicht gut, es gibt dann viele schlimme Unfälle.«
Die Ampeln, so erzählen die Drei, werden in Bolivien per Hand umgeschaltet. »Gut für Leute, die auf der Straße ihr Geld verdienen«, lacht Sergio, »wenn einer während einer Rotphase etwas aufführt, sagt er dem Polizisten einfach, er solle die Ampel erst auf grün schalten, wenn das Kunststück vorbei ist.«

Artikel vom 05.11.2004