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In der Werburg zu Hause

Spenger Heiner Kuhlmann (66) wuchs im Ensemble auf

Von Julia Lüttmann (Text und Foto)
Spenge (SN). »Nur wohlhabende Bürger konnten sich im 19. Jahrhundert einen Klostuhl leisten.« Als Heiner Kuhlmann (66) am 22. Oktober in den SPENGER NACHRICHTEN den Bericht über die Fundstücke in der Werburg las, musste er über diese Einschätzung des Kulturamtes schmunzeln. Denn das gute Stück stammt nicht aus dem Besitz der adligen Gutsherren: »Meine Großmutter hat den Stuhl mit ins Haus gebracht.«

Die Familie Kuhlmann zog 1928 als Mieter ins Herrenhaus ein, Heiner Kuhlmann wurde dort geboren und lebt seit 1973 in einem Bungalow in unmittelbarer Nähe des Ensembles. Er erinnert sich gerne an seine Kindheit: »Rund um die Werburg gab es damals nur Äcker und Wiesen. Wenn wir zur Schule gingen, liefen wir bis zum Haus Wittker nur durch einen Hohlweg.« Auf dem Gut, das damals noch Alhard Freiherr von dem Bussche Münch gehörte, konnte er viele Tiere halten: »Tauben, Kaninchen, einen Schäferhund - eben alles, wofür man sonst keinen Platz hat.«
Und für einen Jungen gab es auf dem Gelände unendlich viele Spielmöglichkeiten. »Am liebsten haben wir in der alten Scheune gespielt, die später abgerissen wurde. Den Bauern, die darin ihr Korn lagerten, gefiel das natürlich nicht so.« Aber die Schießscharten hatten es den Kindern angetan. Noch heute bedauert Heiner Kuhlmann, dass die Scheune abgerissen wurde. »Die schönen alten Steine wurden als Packlage für die Weidenstraße verwendet.« Eine Schande, findet der 66-Jährige.
Den Mietvertrag hatten Heiner Kuhlmanns Eltern mit Alhard Freiherr von dem Bussche Münch abgeschlossen. Gesehen hat Heiner Kuhlmann den als exzentrisch geltenden Adligen aber nur selten. »Wenn er zur Jagd kam, fuhr er mit einem sehr großen Auto vor. Das war schon etwas Besonderes.«
Doch nicht nur den Klostuhl hat die Familie Kuhlmann im Gebäude hinterlassen, auch einige Holzkisten, die bislang noch nicht identifiziert waren: »Mein Vater hat im Herrenhaus eine Zigarrenfabrikation betrieben«, erklärt Heiner Kuhlmann. Bis Ende der 50er Jahre wurden dort die »Herku«-Stumpen, benannt nach Inhaber Hermann Kuhlmann, hergestellt. Diese trockneten in den Holzkisten.
Heiner Kuhlmann ist froh, dass die Fundstücke aus der Werburg gut verwahrt werden. Er setzt sich dafür ein, dass ein Museum eingerichtet und die Gebäude erhalten werden. Er bedauert jedoch, dass das Herrenhaus verfällt, während das Torhaus aufwändig saniert wird. »Mit dem Geld, das jetzt investiert wird, hätte man den Verfall stoppen können«, ist er überzeugt.
Zum Elternhaus hat er noch immer eine enge Beziehung. »Früher war es schön.« Und damit es wieder schön wird, engagiert er sich im Werburg-Verein. Sein Ziel: Das Ensemble soll wieder als Ganzes erkennbar sein. Und dazu gehört auch die »Alte Mühle«. »Das wissen aber viele heute nicht mehr«, bedauert er.

Artikel vom 04.11.2004