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»Ein Käfig voller Narren«

Gastspiel des Rheinischen Landestheaters Neuss im TiP

Von Jens Nussbaum
(Text und Foto)
Bad Oeynhausen (WB). Das Rheinische Landestheater Neuss war am Donnerstag zu Gast im Theater im Park. Mit dem Broadway-Musical »Ein Käfig voller Narren« von Jerry Herman und Harvey Fierstein wurde das Bad Oeynhausener Publikum von einem hervorragenden Ensemble in die schlüpfrige Welt des Pariser Nachtlebens entführt.

Muss man sich schämen, wenn man über zwanzig Jahre gemeinsam ein Kind aufgezogen hat? Natürlich nicht. Auch dann nicht, wenn die Eltern den Konventionen nicht entsprechen, sondern ein homosexuelles Paar sind. Doch wie sollte man sich bei einem Besuch der zukünftigen Schwiegereltern des Sprösslings verhalten, wenn der Vater als Conferencier und die Mutter als Transvestit in einem Nachtclub auftreten? Zu allem Überfluss ist der neue Schwiegerpapa ein spießiger Moralapostel und Vorsitzender einer reaktionären Bürgerpartei.
In ihrem Bühnenstück »Ein Käfig voller Narren« führten Herman und Fierstein den nur rund 60 Zuschauern zunächst die glamouröse Welt im Nachtclub »La Cage« vor Augen. Genial gelang die Umsetzung durch das Neusser Theater, das eine Bühne auf die Bühne des Theaters im Park zauberte. Hier tanzten »Les Cagelles«, die an die Grisetten in Lehárs Lustiger Witwe erinnern. Doch in »La Cage« sind es Männer und Frauen, die in Frauenkleidern tanzen. Star des Abends ist Zaza alias Albin, genial dargestellt von Mark Weigel. Albin hat mit Georges (Martin Herrmann) dessen Sohn Jean-Michel (Timo Doleys) großgezogen. Dieser hat sich in Anne (Stefanie Breselow) verliebt, und beide bringen ihr Verliebtsein im Duett »IÕm In Love« zum Ausdruck.
Als die Schwiegereltern sich kennen lernen sollen, bittet Jean-Michel seinen Vater, seine leibliche Mutter einzuladen und sich »hetero« zu geben. George ist bereit, ihm diesen Wunsch zu erfüllen, aber zu feige, seinen Lebensgefährten einzuweihen. Erst als Jean-Michel die Bühne und damit ihr bisheriges Leben demontieren lässt, wird Albin das Vorhaben gestanden. Enttäuscht, aber ohne seinen Stolz zu verlieren, singt er sein Lied »I Am What I Am«. Hierbei gelang es Mark Weigel, ungemein überzeugend zu wirken.
Der zweite Akt des Musicals zeigte den Besuch des Ehepaares Dindon, das zur 20th-Century-Fox-Fanfare aufmarschierte. In einer flammenden Rede gegen sexuelle Ausschweifungen macht Eduard Dindon, dargestellt von Klaus-Jürgen Gehnke, seinen Standpunkt deutlich. Albin erweist sich als Meister der Verkleidung und schlüpft in unterschiedlichste Rollen. Beeindruckend gelang ein Sextett, mit dem galant über das frivole Ess-Service hinweg gegangen wird.
Albin, der mal als Mann und mal als Frau auftritt, vermag sowohl Madame wie auch Monsieur Dindon in seinen Bann zu ziehen, und am Ende verpflichtet sich der konservative Politiker erst widerwillig, dann mit immer größerem Vergnügen, im Nachtclub »La Cage« aufzutreten. Mit dem gemeinsam gesungenen »We Are What We Are« verkündigen alle Darsteller die Aussage des Stückes, dass man sich für das, was man ist, nicht zu schämen braucht.
Eine großartige Vorstellung wurde dem spärlichen Publikum geboten. Temporeiches Spiel, überzeugende Darsteller und ausgezeichnete Sänger passten gut zusammen. Vor allem die Combo »Les Follies«, bestehend aus fünf Musikern, begeisterte mit ihren Darbietungen. Das Publikum bedankte sich mit reichlich Applaus beim Neusser Ensemble.

Artikel vom 30.10.2004