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Paderborner
PerspektivenVon Hubertus Hartmann

Bürger müssen Leiden lernen

In den nächsten Tagen nimmt der Werksausschuss des neu gewählten Kreistags seine Arbeit auf. In einer ihrer ersten Amtshandlungen werden die Politiker den Wählern gleich eine bittere Pille verordnen - eine Erhöhung der Müllgebühren. Eine Rezeptur, an die sich das Volk wohl oder übel gewöhnen muss. Auch wenn die Bürger ja schon Übung im Leiden haben - der Zorn wächst. Die Spritpreise sind seit Jahresbeginn um durchschnittlich gut zwölf Prozent gestiegen, beim Heizöl sind es satte 50, die E.ON fordert von ihren Gaskunden gut 14 Prozent mehr, die Preistreiberliste ließe sich beliebig fortsetzen.
Nun kommt auch noch der Müll dazu.
Allerdings, das sei zu ihrer Ehrenrettung gesagt, trifft die heimischen Kommunalpolitiker keine Schuld an der geplanten Gebührenerhöhung. Seit immerhin acht Jahren sind die Abfallentsorgungsgebühren im Kreis Paderborn unverändert geblieben, während Nachbarkreise kontinuierlich an der Schraube gedreht haben. Zurzeit zahlen die Städte und Gemeinden dem kreiseigenen Abfall-Entsorgungsbetrieb AV.E für die Anlieferung ihres Gewerbe-, Haus- und Sperrmülls sowie Bioabfalls durchschnittlich 83,83 Euro pro Tonne.
Im Kreis Höxter liegt der Tonnenpreis bei 139,86 Euro. Betrachtet man allein den Haus- und Sperrmüll, wird der Unterschied noch krasser: 84,85 Euro zwischen Senne und Egge, das Eineinhalbfache, nämlich 210 Euro zwischen Egge und Weser. In Ostwestfalen-Lippe hat der Kreis Paderborn die niedrigsten Gebühren, auch im bundesweiten Vergleich zählt er zu den günstigsten Entsorgungsregionen.
Seit Jahren zahlt sich aus, dass die Verantwortlichen im Paderborner Kreishaus eine vorausschauende Abfallwirtschaftspolitik betrieben haben. Mit der Inbetriebnahme der Zentraldeponie Alte Schanze im Mai 1979 wurden langfristige Lagerkapazitäten geschaffen. Gut 60 Prozent des Deponievolumens von 7,5 Millionen Kubikmetern ist zurzeit verfüllt, die Restkapazität von 3,1 Millionen Kubikmetern wird voraussichtlich noch für Generationen reichen. Ging die angelieferte Müllmenge seit 1999 bereits von 200 000 um mehr als elf Prozent auf 177 000 Tonnen im Jahr 2003 zurück, so wird die Einlagerung im Jahr 2006 wahrscheinlich nur noch bei etwa 20 000 Tonnen liegen.
Denn am 1. Juni 2005 tritt die so genannte »TA Siedlungsabfall« in Kraft. Danach darf weniger als fünf Prozent der brennbaren Abfälle eingelagert werden, alles andere muss thermisch verwertet und zur Müllverbrennungsanlage nach Bielefeld gekarrt werden. Diese 1993 erlassene bundesweite Verordnung ist der alleinige Grund für die Kostensteigerung ab Mitte nächsten Jahres.
Die Gretchenfrage lautet nur: Um wie viel verteuert sich die Müllverwertung im Kreis Paderborn?
Vor der Kommunalwahl mochte das heiße Eisen Keiner anpacken, auch jetzt weichen die Experten einer klaren Antwort aus. Die Marke von 150 Euro werde man nicht erreichen und günstigster Entsorger in OWL bleiben, versichert AV.E-Werksleiter Bernhard Hartmann immerhin. Wohl gemerkt: Zurzeit sind's bei Haus- und Sperrmüll knapp 85 Euro... Nehmen wir mal an, es würden 146 Euro pro Tonne, dann käme das einer Steigerung um gut 70 Prozent gleich! Unrealistisch? Keineswegs - die AV.E-Kalkulation ist bereits durchgesickert.
Darauf sollten die Kämmerer der Kommunen ihre Haushaltsplanung jetzt einstellen.
Auf den Bürger dürfte die Kostenexplosion allerdings nicht in vollem Umfang durchschlagen. Denn knapp die Hälfte der von ihm zu entrichtenden Abfallgebühren entfällt derzeit auf das Einsammeln und den Transport. Noch zahlt ein Durchschnittshaushalt, beispielsweise in der Stadt Paderborn, 93 Euro pro Jahr. Demnächst könnten es 125 Euro oder mehr sein.
Happig, happig - und ein Ende der Preisspirale ist nicht in Sicht. Nur Eines scheint sicher: Wir Verbraucher müssen noch mehr Leiden lernen.

Artikel vom 30.10.2004