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Lernen in der
Cantorschule

Erster Unterricht um das Jahr 1633

Hiddenhausen (HK). Eine lebendige Gemeinde mit einer lebendigen Geschichte: So lässt sich Hiddenhausen treffend beschreiben. Mit dieser Serie sollen in unregelmäßiger Reihenfolge Geschichten aus längst vergangener Zeit aus Hiddenhausen und Umgebung erzählt werden. Heinz Höpner beleuchtet im ersten Teil der Reihe die »Hiddenhauser Cantorschule«.

Nachdem vor einigen Jahren in Schweicheln die alte Schule als Museumsschule wieder eröffnet wurde und jetzt die Wiedereröffnung des Heuerlingskotten von Holzgräfe kurz bevor steht, soll an dieser Stelle einmal über die älteste Schule in der Großgemeinde, die Hiddenhauser Cantorschule, berichtet werden. Laut einer Urkunde vom Staatsarchiv Münster wurde in Hiddenhausen um 1633 der erste Schulbetrieb im Hause des Cantors aufgenommen. Das Cantorhaus stand etwa dort, wo heute das Gerätehaus auf dem alten Hiddenhauser Friedhof steht, denn die beiden Hiddenhauser Friedhöfe gab es damals noch nicht.
Pfarrer in der Kirche zu Hiddenhausen war damals Philip Pflüger (1585 - 1655). Der Gesang geistlicher Lieder in deutsch war in den evangelischen Gemeinden eingeführt worden und da Schreiben und Lesen kaum jemand in den Dörfern konnte, sollte durch die Errichtung der Schulen vornehmlich Lesen und Schreiben der Lieder und geistlicher Texte erlernt werden.
Erster Schulmeister in Hiddenhausen wurde der Organist und Küster Johann Erpenbach (1595-1652), der ein Enkelsohn des gleichnamigen Pfarrers Johann Erpenbach war, der um 1548 in Kirchlengern im Amt war. Das Einzugsgebiet der Cantorschule erstreckte sich über die heutigen Gemeinden Bustedt, Eilshausen, Hiddenhausen, Lippinghausen und Oetinghausen. Der Unterricht, der morgens von 8 bis 11 und nachmittags von 13 bis 15 Uhr war, fand im Wohnraum des Küsters statt.
Da die Einnahmen des Küsters und Organisten, jetzt auch Schulmeisters, sehr gering waren, hatten die selbigen Land zur Bestellung. Auch ein Heuerlingskotten (das Nachfolgehaus steht heute an der Löhner Straße Nr. 207) gehörte im Anfang dazu. Dieser wurde jedoch von der damaligen Äbtissin um 1700 an einen Herforder Bürger verkauft. Eine weitere Vorstellung von dem Cantorhaus gibt eine Urkunde aus dem Jahr 1733. Darin heißt es wörtlich: »Der Küster zu Hiddenhausen hat ein alt zerfallenes Haus, zudem hat er auch einen kleinen Garten... und sechs Scheffelsaat Land im großen Felde... und eine Wiese in der Hiddenhauser Masch.«
Als Johann Erpenbach 1652 verstarb, wurde sein Sohn Hermann Erpenbach (1620-1683) sein Nachfolger im Amt. Leider war unter seinen Söhnen kein Nachfolger vorhanden. So musste 1683 im Todesjahr von Hermann Erpenbach ein Nachfolger gesucht werden.
Die Suche gestaltete sich recht schwierig, da in Lippinghausen und Oetinghausen Bestrebungen der Eltern waren, Nebenschulen dort errichten zu dürfen. Dadurch wurden die ohnehin schon kargen Einnahmen des Hiddenhauser Schulmeisters weiter geschmälert. So wurde der 21-jährige Johann Heinrich Grohnemeyer (1662 - 1741) aus dem Bünder Raum gefunden, der die Voraussetzungen als Organist, Küster und Schulmeister erfüllte.
In einer Urkunde aus dem Jahre 1733 heißt es wörtlich: »Der jetzige Küster und Schuldiener Johann Henrich Grohnemeyer ist Anno 1683 von dem Herrn Landdrosten zum Bussche als Küster, Organist und Schuldiener vocinieret (berufen) worden.« 58 Jahre lang hatte Johann Heinrich Grohnemeyer das Amt ausgeführt, als er am 11.5. 1741 im Amt verstarb. Im Nekrolog (Totenbuch) von Hiddenhausen schrieb der damalige Pfarrer Matthias Joachim von Laar (1674 - 1745) Folgendes: »Am Tage der Christi Himmelfahrt, den 11.5. 1741, ist unser alter Küster, Organist und Schulmeister Johann Henrich Grohnemeyer, nachdem er 58 Jahre hier treu gedienet hat, gestorben mit 79 Jahren.«
Um 1700 war es dann soweit, Oetinghausen und Lippinghausen bekamen ihre eigenen Nebenschulen. Erster Lehrer in Oetinghausen wurde Johann Heinrich Krieger (1680 - 1728) und erster Lehrer in Lippinghausen wurde Christian Remmert (1666 - 1732). Die Bustedter und Eilshauser Kinder mussten noch lange nach Hiddenhausen zur Schule.
Als Johann Henrich Grohnemeyer im Jahre 1741 verstarb, ohne einen Nachfolger zu hinterlassen - alle Söhne waren tot, nur zwei Töchter, über deren Verbleib bis heute nichts bekannt ist, überlebten ihn - musste wiederum ein Nachfolger gesucht werden. Diese Suche wurde nicht so schwierig, denn der damalige Pfarrer von Hiddenhausen, Matthias Joachim von Laar, konnte seinen angehenden Schwiegersohn, Arnold Heinrich Hülsenkamp (1716- 1784), der über die nötige Ausbildung verfügte, zum Organisten, Küster und Schullehrer vorschlagen. Er wurde angenommen.
Nachdem das Cantorhaus noch einmal im Jahre 1779 renoviert wurde, wurde es 1821 abgerissen. Südlich davon wurde im selben Jahr eine neue Schule gebaut. Der nördliche Teil dieser Schule musste wiederum 1881 einem Neubau weichen. Mitte der 60-er Jahre wurde dann die gesamte Schule abgerissen, was heute sicherlich zu bedauern ist.
Zum Schluss sei noch erwähnt, dass viele Eltern früher ihre Kinder nicht zur Schule schickten. Die einen taten es, weil sie zu arm waren und die Ausgaben nicht bezahlen konnten. Die anderen, weil sie es nicht für nötig hielten. Noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts konnten viele Menschen weder lesen noch schreiben. Noch heute gibt es die Redewendung, wenn eine Sache zum Abschluss gebracht werden soll: »Mach mal deine drei Kreuze darunter.« So musste mancher Text den Analphabeten vorgelesen werden und diese machten dann nach ihrer Einwilligung in Gegenwart von zwei Zeugen ihre drei Kreuze darunter, welches die Zeugen durch ihre Unterschrift bestätigen mussten.

Artikel vom 30.10.2004