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Schutz vor räuberischen Westfalen

Landwehren noch sichtbar - Thema des Historischen Jahrbuches 2005

Bünde (pjs). »Westphalus est raptor - Der Westfale ist ein Räuber«: In diesem wenig schmeichelhaften Ruf standen insbesondere westfälische Adelige im Spätmittelalter. Sie waren berüchtigt für ihre häufigen Fehden, bei denen sie Rechtsansprüche mit Gewalt durchsetzten. Beeindruckende Zeugnisse dieser »Privatkriege« hat Dr. Ulrich Henselmeyer, Historiker an der Universität Bielefeld, im Bünder Land wiederentdeckt: »Landwehren« - 20 bis 25 Meter breite Anlagen mit bis zu drei Wällen und metertiefen Gräben, die zum Schutz vor Raubzügen gebaut wurden.

In der am 15. November erscheinenden Ausgabe des Historischen Jahrbuches 2005 für den Kreis Herford befasst sich der Wissenschaftler mit dem Thema »Landwehren und Landesherrschaft im Norden der Grafschaft Ravensberg«. Die Kriegshandlungen im Rahmen der Fehde zielten damals nur selten darauf ab, den Gegner zu töten: »Stattdessen wurden vor allem Kühe, Pferde, Schafe und sonstiges Vieh geraubt und weggetrieben - es ging in erster Linie darum, den Gegner wirtschaftlich zu schädigen«, erläuterte Henselmeyer. Durch Plünderung, Brandstiftung und Vernichten der Ernte wurde dieser zum Einlenken gezwungen. Von Übergriffen verschont bleiben sollten nach dem Fehderecht »Kirchen, Friedhöfe, Pflüge mit Pferden, ackernde Bauern, Frauen, Kaufleute, Pilger und Geistliche«.
In der Praxis vermischten sich allerdings »erlaubte« und »verbotene« Gewalttaten, legitime Fehden waren kaum von unrechtmäßigen Raubzügen zu trennen. Die Folge: Auf die ständige Bedrohung ihrer wirtschaftlichen Lebensgrundlagen reagierten Städte, Klöster, Landesherren und auch Bauerschaften seit dem 13. Jahrhundert mit der Errichtung von Landwehranlagen.
Ein spannendes Thema, das den aus Bünde stammenden Historiker faszinierte. Er forschte nach - mit Erfolg: »Ich habe direkt vor der Haustür gesucht und dieses Prachtstück gefunden«, präsentierte er gestern die imposante Landwehr nördlich des Reesbergs in Kirchlengern als Beispiel. »Eine strategisch geniale Anlage«, freut sich Dr. Henselmeyer über die Hinterlassenschaft der Ravensberger Grafen: gut erhaltene Gräben und Wälle, die der Erosion im Wald standgehalten haben, während sie auf Äckern zum Teil bereits eingeebnet und nicht mehr zu erkennen sind. Die Landwehr verlief zwischen Gut Oberbehme und Bustedt und sollte Bündes Süden gegen Fehde-Raubzüge »abriegeln«.
Den räuberischen Horden der Edelherren, Burgmannen und Rittersleut' stellte sich die Anlage als kaum zu überwindendes Bollwerk entgegen, denn die Wälle wurden zusätzlich mit Hecken, Sträuchern und Dornenbüschen dicht bepflanzt. Und selbst diejenigen, die nach erfolgreichem Beutezug flüchteten, mussten rasch wieder zu der Bresche zurückfinden, die sie in den Bewuchs geschlagen hatten: »Bis das geraubte Vieh über Wälle und Gräben getrieben war, hatten die Verfolger die Eindringlinge längst eingeholt«, erklärte Henselmeyer. Er will sich dafür einsetzen, dass die Landwehre im Bünder Land als Kultur- und Bodendenkmäler erhalten werden. Ähnliche Anlagen wie am Reesberg verliefen am Kilver und Gewinghauser Bach: Dort schützten die Edelherren zur Lippe die Dünner Mark von der Else bis zum Wiehen gegen ungebetene »Gäste«.
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Artikel vom 29.10.2004