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Vierbeiner
helfen heilen

Lebenshilfe startet neues Projekt

Brakel (WB). Norbert I. strahlt über das ganze Gesicht. Soeben ist es ihm gelungen, das Lama »Romero« am Halfter auf der Wiese durch einen Slalom-Parcours von acht leuchtend roten Eimern zu führen. Nicht einmal Henriette, die Mischlingshündin, die ihm in die Quere gekommen ist und vor der Norbert I. noch vor Monaten eine Riesenangst verspürte, hat ihn in seiner Konzentration behindern können.

»Toll gemacht, Norbert«, sagt Heike Höke und klopft ihrem Schützling auf die Schulter, während ihr Mann Thomas und zwei Kollegen von Norbert I. applaudieren.
Norbert I. und seine Kollegen leben in einer Brakeler Lebenshilfe-Wohnstätte für geistig behinderte Erwachsene. Neben einer geistigen Behinderung hatte er im Laufe der Zeit Verhaltensweisen entwickelt, die ihm und seinen Mitbewohnern das Zusammenleben erschwerten. Gelegentlich hatte er sich auch schon selbst verletzt. Das hatte die Mitarbeiter der Wohnstätte veranlasst, ihm eine ergotherapeutische Behandlung zu vermitteln, die aber ohne durchschlagenden Erfolg blieb.
Heike Höke, Mitarbeiterin der Brakeler Lebenshilfe-Einrichtung, hatte während ihrer Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin bereits von »heilenden Begegnungen« zwischen behinderten Menschen und Tieren erfahren. Da sie auf dem heimischen »Krähenhof« in Bellersen schon über eine ganze Reihe geeigneter Tiere verfügte, lag der Versuch einer praktischen Erprobung nahe.
Inzwischen ist aus den ersten Begegnungen von Norbert I. und seinen Kollegen mit den Ponys, Ziegen, Schafen, Hunden, Katzen und Lamas auf dem »Krähenhof« das völlig eigenständige Konzept einer »Tiergestützten Therapie« für erwachsene Menschen mit geistiger Behinderung hervorgegangen. Heike Höke hat darin neben der Beschreibung der Therapiearbeit erstmals eine Dokumentationsform entwickelt, die eine Auswertung der Wirksamkeit dieser Methode ermöglicht.
»Im günstigsten Fall können wir den Nachweis führen, dass mit Hilfe der ÝTiergestützten TherapieÜ für einen großen Personenkreis spürbar bessere Therapieergebnisse mit einem gegenüber Krankengymnastik und Ergotherapie erheblich reduzierten Kostenaufwand erzielt werden können«, erläutert Heike Höke und verweist auf die aktuellen Diskussionen zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen.
Einige Krankenkassen sowie der Landschaftsverband haben bereits ihr Interesse an dem Projekt bekundet und sich die Internetadresse www.lebenshilfe-brakel.de notiert, wo der Projektverlauf ständig aktualisiert wird. Auch die Aktion Mensch steht der »Tiergestützten Therapie« offenbar positiv gegenüber. Zwar entscheidet das Kuratorium erst in der November-Sitzung über den Förderantrag der Lebenshilfe Brakel, doch sieht Georg Emmerich, Gesamtleiter Wohnstätten der Lebenshilfe »deutliche Signale für eine Förderung des auf drei Jahre angelegten Projekts.«
Gute Aussichten also für Norbert I., ihm inzwischen lieb gewordenen Tieren zu begegnen, sie streicheln und füttern zu können. Wenn er durch die Erfolgserlebnisse mit »Romero« sein Selbstwertgefühl weiter steigern kann, muss er sich vielleicht schon bald nicht mehr selbst verletzen. Weniger Medikamente braucht er jedenfalls jetzt schon...

Artikel vom 29.10.2004